Es ist Freitag, Zeit für den Karaoke-Abend in „Perkin’s Diner“: Während die ältere Frau in ihrer biederen Kleidung eher deplatziert wirkt, als sie sich an den Tisch setzt und einen Apfelsaft statt Bier bestellt, ist Stammgast Penny McNamara, eine fesche Mittdreißigerin im knappen Lederrock, direkt auf Betriebstemperatur und entert die Bühne, um mit „Let’s get loud!“ den Laden zu rocken. Während Konstanze Engelbrück nach wie vor zweifelt, ob sie in der Karaoke-Bar richtig aufgehoben ist, schließlich kennt sie weder Lieder noch Interpreten auf der Vorschlagsliste, bevor ihr der smarte Kellner die „Oldie-Liste“ an die Hand gibt, erkennt Penny ihre alte Lehrerin gleich wieder, als diese gleichermaßen schüchtern, wie berührend den Marlene Dietrich-Song „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ anstimmt.
Was die beiden Frauen in der Uraufführung der Komödie von Nils Hollendieck verbindet, erfahren die Zuschauer im diesjährigen Theaterdinner des Das Da-Theaters in Kooperation mit dem Gut Hebscheid in den Theatersequenzen rund um ein fünfgängiges Menü. Das startet mit Thunfisch-gefüllten Samosas und Kürbishummus oder Maronenpastete mit rauchigen Austernpilzen. Bevor beim zweiten Gang zwischen einer Wurzelgemüse-Kokoscremesuppe und einer Sauerkrautcremesuppe gewählt werden kann, arbeiten sich die strenge Lehrerin und die ehemalige lausige Schülerin aneinander ab.
Während sich die Ältere in einer Lebenskrise befindet und eine Liste mit Dingen, die sie zum ersten Mal macht – wie ihren Auftritt in der Karaoke-Bar – penibel in ein Büchlein einträgt, stolpert Penny scheinbar unbedarft durchs Leben. Mit jedem ihrer Songs öffnen sich die so unterschiedlichen Frauen ein bisschen mehr. Pennys Interpretation von Amy Winehouse‘ „Rehab“ wirkt so authentisch, dass man gleich ein wenig schuldbewusst am Weinchen nippt.
Dass die vermeintlich tragische Figur Penny trotz ihrer schlechten schulischen Leistungen später doch das Abitur nachholte und ein Kunstgeschichtsstudium absolvierte, erfahren Frau Engelbrück und das Publikum erst nach einigen Irrungen und Wirrungen, bei denen auch ernstere Töne angeschlagen werden.
Wenn Penny sagt, es gäbe Tage, die seien beschissener als alle anderen, da fühle man sich wertlos, dann trifft ihr anschließend vorgetragener bittersüßer Jonny Cash-Song „I hurt myself today“ mitten ins Herz. Es geht – wie könnte es anders sein – um die zutiefst menschlichen Bedürfnisse nach Nähe, Geborgenheit und Liebe. Inzwischen ist auch das Publikum voll in „Perkin’s Diner“ angekommen und bejubelt die Ankündigung der Karaoke-Show mit zunehmend begeistertem Applaus für den Pianisten Joe (Christoph Eisenburger, alternierend: Moritz Schippers). Bevor die Hauptgerichte – Tafelspitz mit Frankfurter Sauce oder Tandoori-Hühnchen auf Mango-Kokos-Gemüse – und die Desserts (Cassis-Mouse, Lebekuchencreme oder veganer Mandelmilchreis) serviert werden, zuckt das Publikum zusammen, als Konstanze Engelbrück verunglückt und Penny und Roy, der aufmerksame und einfühlsame Kellner, von dem längst alle außer Penny wissen, dass er in sie verliebt ist, an Konstanzes Krankenbett um sie bangen.
Und so gerät der finale Song „Ain’t No Mountain High Enough“ von Marvin Gaye und Tammi Terrell zu einem Hohelied auf die Freundschaft und Liebe, mit dem man satt, zufrieden und beschwingt in den Alltag zurückkehrt. Das Theaterdinner des Das Da-Theaters bietet dreieinhalb Stunden feinste Unterhaltung, bei der Nina Rehn als Penny, Ursula Michelis als Konstanze und Justin Fischer als Roy, begleitet vom Piano-Man „Joe“ schauspielerisch und vor allem stimmlich im schlichten, aber raffinierten Bühnenbild von Frank Rommerskirchen begeistern – in Kombination mit einem soliden Fünf-Gänge-Menü, bei dem auch vegetarische Optionen wählbar sind.
bis 9.3. (inkl. Zusatztermine)
„Karaoke für zwei“
Gut Hebscheid, Das Da-Theater
www.dasda.de/KARAOKE
Die Dezember-Vorstellungen sind ausgebucht, Karten können noch für verschiedene Tage im Februar und März reserviert werden. Preis: 85 Euro inkl. 5-Gang-Menü, exkl. Getränke.
Besetzung: Penny: Nina Rehn
Konstanze: Ursula Michelis
Roy: Justin Fischer
Pianist Joe (alternierend): Christoph Eisenburger, Moritz Schippers
Karaoke für zwei - Das Da-Theater
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