Im Uniklinikum RWTH Aachen ist man aus drei Gründen: Entweder man gehört zur Gruppe der Patienten, der Besucher oder der Mitarbeitenden. Der 1985 eröffnete Koloss an der deutsch-niederländischen Grenze ist dabei eine Art Stadt in der Stadt. Rund 7.000 Mitarbeiter in 36 Fachkliniken mit 1.400 Betten sowie 25 Institute versorgen im Jahr 50.000 Patienten stationär und 200.000 Patienten ambulant. Die „Aachener Klinikhilfe“ (AKH) besteht seit 1983, Nadja Hoffmann von der Diakonie und Lisa Trümper-Loogen von der Caritas koordinieren hier das Team der „Grünen Damen und Herren“.
Obwohl die AKH kirchliche Träger hat, die die beiden Stellen der hauptberuflichen Koordinatorinnen bezahlen, ist das Angebot konfessionslos und weltoffen. „Früher ging es eher um das Besorgen einer Zeitschrift oder Telefonkarte, heute führen wir mehr Gespräche am Krankenbett, was wahrscheinlich auf zunehmende Einsamkeit zurückzuführen ist“, meint Nadja Hoffmann und ergänzt, dass das Angebot der „Grünen Damen und Herren“ keine pflegerischen Tätigkeiten umfasse, aber sehr wohl Entlastung der Pflege brächte. Laut Lisa Trümper-Loogen ist das Krankenhaus ein hochsensibler Bereich mit besonderen Anforderungen, kein Wellnesshotel. Deshalb erfordere die Auswahl der Ehrenamtlichen Fingerspitzengefühl, eine solide Ausbildung und die enge Zusammenarbeit mit der Krankenhaus-Seelsorge.
Feine Balance zwischen Nähe und Distanz
Voraussetzung für die Tätigkeit bei den „Grünen Damen und Herren“ seien neben Toleranz, Offenheit und Gesprächsbereitschaft gegenüber Menschen ein erweitertes Führungszeugnis, eine klinische Untersuchung durch einen Hochschularzt, fünf Hospitanzen und die Supervision mit fachlichem Austausch über schwierige Situationen. Manche Situationen und Begegnungen bringen alle Beteiligten an ihre Grenzen. Man weiß nicht, auf welche Patienten man im Zimmer trifft, sodass die feine Balance zwischen Nähe und Distanz immer wieder neu ausgelotet werden muss. Als eine Patientin sagte, dass sie austherapiert sei und ins Hospiz komme, habe man auch einfach mal zusammen geschwiegen, erzählt Trümper-Loogen.
Grundsätzlich müsse man ein empathischer Mensch sein und das Ehrenamt ohne Selbstzweck ausüben wollen. Auch wenn viele der Ehrenamtlichen seit Jahren dabei sind – einige Damen über 80 Jahre gehören sogar noch zu den Gründerinnen der Initiative – gibt es zunehmens Nachfragen von Studierenden, vor allem aus dem medizinischen Bereich. Viele sind junge Rentnerinnen und Rentner zwischen 55 und 60 Jahren, so wie Christoph, der durch eine Berufsunfähigkeit nach seiner Tätigkeit im Controlling im Ehrenamt eine neue Aufgabe fand und es als sinnvolle Zeit und Bereicherung empfindet – im Gegensatz zu sinnlosen Führungsjobs in der Wirtschaft, bei denen sich die Frage stelle, was davon bleibe: „Wenn Dir ein Endfünziger sagt, dass sich noch nie jemand so intensiv mit ihm unterhalten hat, dann ist das ein Brett. Das bleibt!“
Lisa Trümper-Loogen kommentiert sein Engagement wie folgt: „Christoph kann durch seine ruhige, empathische Art einen Teppich ausrollen. Daher ist er einer von zwei Ehrenamtlichen, die auch auf die Palliativstation gehen“. Die „Grünen Damen und Herren“ sind bestimmten Stationen zugeordnet, dazu gehören auch Besuche der Palliativstation sowie der Kinder- und Frühchenstation. Krankenhaus bedeutet immer Stress – für Patienten und Angehörige.
Im Fall einer alleinerziehenden Mutter mit behindertem Kind habe das Angebot, mal kurz zu verschnaufen und alleine einen Kaffee trinken zu gehen, schon Erleichterung und Entspannung gebracht. Christophs Kollegin Renate kommt gerade von der Intensivstation, wo sie einen 88-Jährigen besucht hat: „Das war ‘ne echte Kölsche Jeck, der pausenlos Witze erzählt hat, die fast alle unter der Gürtellinie waren. Da kann man dann nur mitgemachen und auch Witze erzählen“. Als sie seinen Kalauer „Ich habe immer Pech. Die erste Frau ist mir abgehauen, die zweite ist geblieben“ zitiert, kann sie gar nicht anders als laut zu lachen. Bei der Geschichte von dem älteren Herrn, der seine ebenfalls im Krankenhaus liegende Frau besuchen wollte, mit einem Krankenstuhl an ihr Bett gebracht wurde und, kaum im Zimmer angekommen, aus dem Stuhl aufstand, zu seiner Frau lief und sie küsste, ist die Ehrenamtlerin immer noch gerührt. Die Dankbarkeit der Beiden habe sie unglaublich glücklich gemacht. Dass der Besuchsdienst die Genesung verbessere und wertvoll für Patienten und Pflegepersonal sei, steht für die beiden Koordinatorinnen der AKH außer Frage. Für viele Patientinnen und Patienten, aber auch ihre Angehörigen, sei es wohltuend, mit jemand Neutralem zu sprechen, vor allem, wenn es in der angespannten Krankenhaussituation oder kurz vor einer OP nicht über das rein Medizinische gehe.
Szenenwechsel: Auf dem Weg zur Kinderstation in der 7. Etage ist schon von weitem glucksendes Lachen zu hören. Die Clowninnen Franzi und LOt (mit kleinem „t“) stehen im Gang und sorgen mit Seifenblasen für Stimmung. Immer, wenn eine der beiden kleinen Patientinnen eine Seifenblase durch Berührung mit ihrem Finger zum Platzen bringt, ertönt ein lautes Quietschen, was wiederum zu schallendem Gelächter führt. Den Einsatz der Klinik-Clowns ermöglicht ein Verein, der 2008 ins Leben gerufen wurde und seitdem durch Spenden regelmäßige Besuche auf verschiedenen Kinderstationen, die Weiterbildung und Supervision der Clowns sowie öffentlichkeitswirksame Aktionen, finanziert.
Uli Opdenberg, Vorsitzender des Vereins, erzählt, dass es eine lange Liste an lokalen Unterstützern gebe, im letzten Jahr habe Karnevalsprinz Thomas Muckel viel bewirkt, darüber hinaus gebe es zahlreiche Spenden bei Geburtstagen oder auch Beerdigungen, selbst Kinder haben schon geholfen, indem sie einen Flohmarkt in der Schule organisierten und die Klinik-Clowns eingeladen haben. Aktuell gibt es acht Clowninnen und Clowns im Klinikumeinsatz, fünf aus Deutschland und drei aus den Niederlanden, die Clowns sind auch zweimal im Monat zu Besuch im Seniorenheim Haus Cadenbach: Die Arbeit der Klinik-Clowns mit Senioren und mit demenzerkrankten Menschen ist eine besondere Herausforderung, die großes Einfühlungsvermögen erfordert.
Du kannst alles sein, man ist nie fertig
„Es ist nicht einfach, seinen Clown zu finden“, sagt die gelernte Schauspielerin Barbara Portsteffen, die zu Franzi wird, sobald sie ihre rote Nase aufzieht. „Trotz vieler Clownskurse auf der Schauspielschule muss man suchen, welche Kleidung passt und wie eigensinnig man als Clown ist. Du kannst alles sein, man ist nie fertig.“ Ihre Kollegin Linda Brouns, eine gebürtige Niederländerin, verweist auf die „miMakker“-Methode, die im niederländischen Gesundheitswesen bereits 2002 eingeführt wurde, um unbefangen mit Menschen in Kontakt zu treten, für die Sprache nicht mehr selbstverständlich ist: Menschen mit einer kognitiven Behinderung oder Demenz, die in einer eigenen Versunkenheit oder in der Vergangenheit leben, aber auch migrantische Familien.
In Kontakt zu gehen ist für Franzi und LOt immer eine individuelle Angelegenheit: „Wenn jemand sagt „Oh, deine Schuhe“, dann gehe ich darauf ein und nehme die Menschen mit ins Spiel. Die Menschen machen die Regie,“ erläutert sie die Interaktion mit den Patientinnen und Patienten.
„Wir klopfen an, fragen, ob es in Ordnung ist, wenn wir rein kommen. Dann schauen wir, was die Menschen brauchen. Wenn wir dann etwas Clowneskes machen, kann das ganz groß – oder ganz klein sein,“ sagt LOt. „Auf den Kinderstationen ist das Personal seit Jahren an die Anwesenheit der Clowns gewöhnt. Gerade auf der Palliativstation kommt es darauf an, gemeinsam den richtigen Weg zu finden, da dieser noch relativ neu ist. Wir haben zum Beispiel darauf hingewiesen, dass das Personal nicht fragen sollte, ob die Menschen einen Besuch von einem Clown wünschen, sondern dass wir selbst an die Tür klopfen und fragen, ob die Menschen gerne einen Besuch von uns hätten. So sehen die Menschen, wer vor ihnen steht und bekommen sofort ein Gefühl dafür.“
Einige Besuche hallen bei den Beiden noch lange nach, beispielsweise die ukrainische Mutter mit ihrem behinderten Kind, die den Besuch trotz der Sprachbarriere genossen. „Als wir uns verabschiedeten und das Zimmer verließen, sahen wir, dass viele Gefühle hochkamen und ich bin zurückgegangen, um die Mutter zu fragen, ob ich sie umarmen dürfe“, sagt LOt und fährt fort, dass die Frau zustimmte, woraufhin die Tränen in Strömen flossen. Dies war notwendig, um auch der Mutter Aufmerksamkeit zu schenken und ihr das Gefühl zu geben, dass sie da sein darf und stolz auf sich sein kann. Franzi erinnert sich an einen kleinen Jungen mit mehreren Tumoren, der im Gemeinschaftszimmer eine Puppe operierte und die Tumore entfernte. „Es gibt jeden Tag etwas, dass so viel Eindruck macht, so schön ist und direkt ins Herz geht,“ sagt sie. Bei den Klinik-Clowns sind es die kleinen Dinge, die ganz groß sind und sei es nur eine Seifenblase, die ein Kind mit Katheter und Venenzugängen zum Lachen bringt. Oder wie eine Patientin sagte: „Du machst meinen ganzen Tag gut.“
Klinik-Clowns
Der Klinik-Clown Verein Aachen ermöglicht seit 2008 regelmäßige Besuche im Aachener Klinikum und im Seniorenheim Haus Cadenbach.
www.klinikclowns-aachen.de
Aachener Klinikhilfe (AKH)
Seit 1984 betreuen Ehrenamtliche – erkennbar an ihrer grünen Kleidung – als „Grüne Damen und Herren“ Patientinnen und Patienten der Uniklinik RWTH Aachen. Eine Erweiterung auf die geriatrische und ggfs. dermatologische Station im Franziskus ist in Planung.
www.akhukaachen.de
WEITEREMPFEHLEN