Der Weg führt zunächst zur Dominformation, dort werden die Tickets für die Domschatzkammer verkauft. Durch das „Kleine Drachenloch“, einem schmuckvoll ausgestatteten gotischen Portal, gelangt man dann in den zwischen Dom und Domsingschule gelegenen Kreuzgang, dessen Quadrum mit dem Paradiesbrunnen als Schulhof genutzt wird – Kinderlachen und Gekreische inklusive.
Brigitta Falk, seit 2016 Leiterin der Domschatzkammer, wartet am Eingang, der mit dicken Stacke-Tresortüren gesichert ist. Ihr Arbeitsplatz ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich, nicht nur durch den prominenten Blick vom Büro aus auf die Michaels- und Nikolauskapelle des UNESCO-Kulturerbes Aachener Dom: Die Schatzkammer beherbergt eine der bedeutendsten Sammlungen kirchlicher Kulturschätze der Welt mit unschätzbar wertvollen Gold- und Silberschmiedearbeiten, die als Reliquienbehälter oder liturgische Geräte gefertigt wurden und seit dem späten Mittelalter eng mit der Geschichte Aachens als Wallfahrtsort verbunden sind.
„Wir sind ein kirchliches Museum, das heißt, hier hängt ja auch eine sehr bedeutende Kirche dran“, sagt sie und erzählt, dass jährlich rund 1,3 Millionen Menschen aus aller Welt den Aachener Dom, etwa 200.000 die Dominformation und rund 140.000 die Schatzkammer besuchen.
Die 120 nach sechs Themen (Karl der Große, Krönungen, Liturgie, Marienverehrung, Wallfahrtskirche und Reliquienschatz sowie Textilschatz) gruppierten Werke der ständigen Präsentation sieht, die promovierte Kunst- und Bauhistorikerin als „Spitze des Eisbergs“, die Sammlung umfasse mehr als 5.000 Kunstwerke, allein 300 Objekten der Gold- und Silberschmiedekunst, darunter die berühmte spätgotische, silbervergoldete Karlsbüste, sowie 3.000 textile Objekte. Ihr Lieblingsstück? Das „Simeonsreliquiar“, dass die Darbietung Jesu im Tempel thematisiert.
„Diese Arbeit ist weltweit einzigartig, allein das ist faszinierend“, sagt Brigitta Falk und zeigt begeistert auf die wundervollen Goldschmiedearbeiten, die von allerhöchster Handwerkskunst zeugen.Im großen Gewölberaum des Untergeschosses wird rund um den vor 1520 entstandenen Krönungsmantel, die sogenannte „Cappa Leonis“, aus konservatorischen Gründen der reiche Textilschatz des Domes in gelegentlichen Wechselausstellungen gezeigt – darunter als Reliquien verehrte Stoffe des 7. Jahrhunderts sowie die umfangreiche Sammlung der Kleider des Gnadenbildes im Dom, von der es heißt, keine Frau habe so viele Kleider im Schrank wie die Aachener Marienskulptur.
Während rund 35 Domführerinnen und Domführer Gästen aus aller Welt die Geschichte und Schönheit von Kirche und Schatzkammer näherbringen, arbeitet das Team der Schatzkammer eher hinter verschlossenen Türen. Für die Textilkonservierung ist die Restauratorin Monica Paredis-Vroon zuständig, ihre Kollegin Stefanie Korr betreut die Sammlung an Gemälden, Holzskulpturen und Möbeln. Dieter Detiège nennt sich selbst schmunzelnd „Ehrenkonservator“ und betreut die Grafische Sammlung sowie die von ihm aufgebaute Fachbibliothek der Domschatzkammer. Aktuell wird er von dem aus Köln stammenden Schülerpraktikanten Itua Ehiwo unterstützt, der sich nicht nur vom Gewicht der Bücher beeindruckt zeigt, die er in die Bibliotheksschränke unter dem Dach einsortiert.
Die mehr als 8.000 Bücher umfassende Bibliothek des Domkapitels geht als Teil der alten Domschule auf karolingische Ursprünge zurück. Im Mittelalter besaßen Klosterbibliotheken mit ihren Handschriften das Wissen der Welt und sorgten – Umberto Ecos Bestseller „Der Name der Rose“ lässt grüßen – für die Vervielfältigung von Schriften und die Alphabetisierung in Schulen. „Copy & paste“ in vordigitaler Zeit! Zum Team gehört auch die Kunsthistorikerin Katrin Heitmann, die für die Inventarisierung der historischen Fotobestände, vor allem die Glasplattennegative, verantwortlich zeichnet, ein nahezu unbekannter Teil der Sammlung, der zahlreiche Entdeckungen birgt: Wie eine vor 1865 entstandene Aufnahme vom Dom mit altem Turm und den heute nicht mehr erhaltenen Stiftsgebäude auf dem Katschhof, darunter den „Rommel“, die Brauerei sowie die Dombauhütte auf dem völlig begrünten (!) Platz zwischen Dom und Rathaus.
Domschatzkammer
Papst-Johannes-Paul-II.-Straße
www.aachener-domschatz.de
AUS
STELLUNG
Vom 15. Februar bis zum 10. Juni werden „Schätze aus Papier“ aus der rund 1.000 Blätter umfassenden „Graphischen Sammlung“ in der Domschatzkammer ausgestellt, darunter eine englische Zeichnung der Annakapelle von 1854 oder ein Holzstich zur Heiligtumsfahrt von 1881.
Aachener Domschatz / Domschatzkammer
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