In unserer Reihe FamilienBande besucht Klenkes-Autor Sebastian Dreher Aachener Familienunternehmen und lässt sich ihre Geschichten erzählen – von Erfolgen, Niederlagen, geheimen Wünschen und ihrem Stellenwert in der Stadt.
„Als ich Kind war, konnte ich mir nicht vorstellen, mal das Geschäft von meiner Mutter zu übernehmen. Mich hat genervt, wenn alle Kunden gefragt haben: „Wenn du groß bist, trittst du bestimmt in Mamas Fußstapfen, oder?“ Ich wollte mir meinen Weg nicht vorherbestimmen lassen. Also habe ich immer „Nein“ gesagt. Obwohl ich unsere Drogerie sehr geliebt habe. Überall gab es etwas zu entdecken, es standen tausend Fläschchen, Flakons und Dosen herum, in allen Schubladen und Regalen warteten Geheimnisse.
Nach der Schule bin ich immer erst mal zu Oma in die obere Etage gegangen und habe dort zu Mittag gegessen. Doch danach ging es sofort runter in den Laden, Hausaufgaben machen und später spielen. Wenn ich Freunde zu Besuch hatte, haben wir uns immer im Geschäft herumgetrieben und sind auf Entdeckungstour gegangen. Für meine Mutter und die Kunden war es ganz normal, dass dort Kinder herumliefen. Es war eine andere Zeit damals. Viele Familien meiner Freundinnen hatten selbst Geschäfte, Kneipen, Apotheken oder eben Drogerien, von denen es zwei weitere in der Jakobstraße gab.
Irgendwann habe ich angefangen, mir mein Taschengeld aufzubessern, indem ich Regale abgestaubt oder sonstige kleine Aufgaben erledigt habe. Ich habe zum Beispiel den Kunden die Tür aufgehalten und einen Knicks gemacht. An mein erstes Mal Arbeiten im Laden kann ich mich allerdings gar nicht erinnern, ich bin irgendwie ins Geschäft reingewachsen, ohne es zu merken. Später habe ich eine Lehre zur Drogistin absolviert und BWL studiert.
Meine Mutter Helga Victor hat 1972 das Geschäft von meinen Großeltern übernommen. Das war noch zur Zeit der Preisbindung für Drogerie-Produkte. Als diese 1974 fiel, wurde es schwierig, weil Ketten wie Schlecker den alteingesessenen Drogerien Konkurrenz machten. Meine Mutter hat die Drogerie auf das Thema „Kräuter“ spezialisiert – anders hätten wir nicht überleben können. 1999 wollte sie ihr liebstes Hobby professionalisieren: in Maastricht Malerei studieren. Sie sagte zu mir: „Entweder du übernimmst den Laden oder wir machen zu!“ Da war ich immerhin schon 33 Jahre alt und mittlerweile wild entschlossen, doch noch eine Geschäftsfrau zu werden. Ich habe die Entscheidung nie bereut.“ \
Kräuterdrogerie Victor
Jakobstraße 128
52064 Aachen
Tel: 0241-39473
Mo-Di+Do-Fr 9.30-18.30 Uhr
Mi+Sa 9.30-13 Uhr
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