„Ich bin mit dem Betrieb an der Jülicher Straße aufgewachsen, wie das in Handwerksbetrieben üblich war: Oben wohnte man, unten hat man gearbeitet. Meine Eltern und Großeltern waren also immer in Reichweite – nie mehr als 30 Meter entfernt. Da waren meine Schwestern und ich eher mal auf der Flucht, weil es ja immer etwas zu tun gab – da musste man schauen, dass man nicht erwischt wird! Aber die kleineren Arbeiten haben auch Spaß gemacht: Teige teilen und Brötchen backen zum Beispiel. In der Backstube war das für uns halb mithelfen, halb spielen.
Für die Mahlzeiten wurde die Arbeit unterbrochen, wir haben immer alle zusammen gegessen. Das war entspannt und viel mehr Familienleben, als wenn man extern irgendwo arbeitet. Das hat mir später auch gefehlt, als ich hier gearbeitet habe, aber die Familie am anderen Ende der Stadt wohnte: Man musste viel fahren, war tagsüber nicht da … Heute wohne ich wieder hier und will das gar nicht mehr anders haben.
Meine drei Kinder sind nach der Schule für eine Zeit ins Ausland gegangen – zum Surfen. Damit haben sie in gewisser Weise meine Nachfolge angetreten! Ich bin damals nach der Meisterprüfung, da war ich 19 Jahre alt, ebenfalls ins Ausland gegangen, davon ein Jahr nach Hawaii. Ich wollte endlich mal viel Zeit zum Surfen haben – für den Lebensunterhalt habe ich in Bäckereien gearbeitet.
Weil mein Vater krank war, bin ich 1984 zurückgegangen und habe die Bäckerei übernommen – mit dem Kopf voller Ideen. Innerhalb von zwei Tagen habe ich das komplette Sortiment auf Bio umstellt. Meine Eltern wurden darüber zunächst wahnsinnig, aber der Umsatz verdoppelte sich. Mit der großen Bio-Welle in den 90er Jahren wurde der Betrieb sogar zu klein und wir sind in die ehemalige Molkerei am Europaplatz gezogen. Dann kam allerdings eine richtige Delle: ein Ofenschaden, immer mehr Wettbewerb. Als Lidl das Gebäude kaufen wollte, haben wir dicht gemacht. Ich bin nach Brasilien gegangen und habe dort Betriebe beraten, die wissen wollten, wie man mit Sauerteig arbeitet.
2008 habe ich den Betrieb – wieder an der Jülicher Straße – nebenberuflich weitergeführt: Bei Renovierungsarbeiten hatten wir den alten Steinbackofen entdeckt, den mein Urgroßvater irgendwann zugemauert hatte. Das Backen im Steinofen dauert zwar länger, aber die Brote entwickeln bei der milden Hitze eine wunderbare Kruste. Traditionell gebackenes Brot mit langen Reifezeiten hat auch den Vorteil, dass sich der Eiweißgehalt verringert. Leute mit erhöhter Sensibilität für Gluten erzählen immer wieder, dass sie mit unseren Broten keine Probleme haben. Das hat sich herumgesprochen. 2014 haben wir auf Vollbetrieb umgestellt und beliefern seitdem die hiesigen Märkte: Edeka, Rewe, Hit.
Vor einem Jahr haben wir wieder etwas ausprobiert: Studenten haben eine App entwickelt, über die man bis 9 Uhr bei uns bestellen kann. Am Nachmittag ist das Brot dann ofenwarm in einer von 40 Abholstellen in und um Aachen. Dadurch sind wir auch als Kleinbetrieb flächendeckend erreichbar. Und die Idee wächst: Die App-Menge hat die Märkte-Menge bereits überholt.“ \ an
Töller Backstubenladen
Jülicher Straße 313
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