Wenn man das Wort „Brache“ wörtlich nimmt, dann stimmt das hier sowohl örtlich als auch planerisch. Kommen Ihnen, wenn Sie durch den Bauzaun gucken, mittlerweile nicht die Tränen?
Ja. Vergleiche mit Nachkriegssituationen sind auch durchaus angebracht, wenn man durch die leeren Ladenlokale guckt oder am Bauzaun entlang geht. Wir, also die Stadt, haben uns das alles auch ganz anders vorgestellt. Vor allem, dass es viel schneller geht. Nach den ersten Plänen würde dort ja auch jetzt schon ein fertiges Objekt stehen und richtig was los sein.
Sie haben gedacht, dass es schneller geht. Würden Sie denn sagen, dass es so, wie es geplant war, überhaupt noch realistisch ist?
Ich glaube schon, dass es nach wie vor realistisch ist. Weil der Gutachter des Projektbetreibers und auch andere unabhängige Gutachter die Lage als sehr gut einschätzen. Der Standort Adalbertstraße ist eine 1A-Lage, sowohl hinsichtlich des Kunden - als auch des Kaufkraftpotentials. Er hat durchaus die Qualität, die Kaiserplatzgalerie zu einem Magneten werden zu lassen. Und auch alles, was ich im Moment höre, ist ja nicht, dass es keine Interessenten dafür gäbe – dann würde ich mir wirklich Sorgen machen –, sondern dass es viele Interessenten gibt. Es geht darum: Wie schnell kommt eine Einigung mit dem bisherigen Projekträger zustande.
Das Geld liegt aber lange nicht mehr auf der Straße. Interessenten müssen mit Kapital ausgestattet sein. Wo sehen Sie diese Interessenten? Wer ist das? Stehen die Schlange bei Ihnen?
Die Gespräche mit Investoren führt nicht die Stadt. Diese Gespräche führt der Projektträger, die P.E.A, beziehungsweise Herr Pontzen als Geschäftsführer der P.E.A.. Aber wir waren gerade auf der Immobilienmesse in München, der ExpoReal. Das ist ein wichtiger Treffpunkt für Entwickler und Investoren. Die Stadt ist dort von vielen Bauträgern und Investoren auf dieses Projekt angesprochen worden. Daher wissen wir, dass diese Firmen im Gespräch mit dem Projektbetreiber sind. Das ist noch keine Garantie dafür, dass es jetzt wirklich losgehen wird. Aber aufgrund dieser Gespräche bin ich mir wirklich sicher, dass der Standort die besondere Qualität hat und dass es Investoren gibt, die Geld für diese Entwicklung haben.
Es geht bei diesen Gesprächen immer noch um diese Dimension von Einkaufszentrum?
Es geht dabei um die Dimension des geplanten Einkaufszentrums, es geht nicht um eine Verkleinerung oder ähnliches. Sondern alle Interessenten, die mir bekannt sind, setzen auf den rechtskräftigen Bebauungsplan, der der Projektentwicklung zu Grunde liegt.
Vom städtischen Presseamt habe ich auf Nachfrage erfahren, dass die Kaiserplatzgalerie innerhalb der Verwaltung Chefsache ist. Das heißt, dass Sie und der Oberbürgermeister für die Kaiserplatzgalerie direkt zuständig sind. Wenn Sie auf der ExpoReal Gespräche mit Investoren führen, in welcher Rolle sehen Sie sich dabei?
Noch mal: Wir haben das Planungsrecht hergestellt. Wir sind nicht dafür zuständig, einen Investor zu finden. Das ist Job der P.E.A.. Das muss man unterscheiden. Trotzdem ist es so, dass – wenn ich jetzt von München gesprochen habe – Investoren auf die Stadt zukommen und sagen: „Wie seht Ihr das? Wir wollen bei Euch die Entwicklung voran bringen!“ Wir stellen dann die Kontakte zur P.E.A. her. Daher auch unser Wissen darüber, dass es Interessenten für das Projekt gibt.
Wenn ich Sie richtig verstehe, geht es also nicht darum, dass Sie als Stadt zu einer Beschleunigung im Entscheidungsprozess beitragen können?
Nein, das liegt in den Händen der Grundstückseigentümer. Wir haben unsere Leistung erbracht mit dem Bebauungsplan in einer sehr kurzen Zeit. Das Projekt scheitert im Moment nicht an uns, sondern daran, dass kein Endinvestor da ist.
Das bedeutet, die P.E.A ist nach wie vor am Zug, ist Bauherr, ist Grundstücksbesitzer und versucht, den Kaiserplatz zu gestalten?
Genau.
So klar war das in letzter Zeit offenbar nicht. Herr Kahlen hat in einem Interview gesagt: „Die Kaiserplatzgalerie will ich noch zu Ende machen und dann ist Schluss.“ Ist Professor Kahlen für Sie noch ein Ansprechpartner?
Für mich ist Herr Kahlen kein Ansprechpartner. Sondern der Ansprechpartner für die Stadt ist Herr Pontzen, der Geschäftsführer. Die P.E.A. ist ein Konsortium, das hauptsächlich aus einer niederländischen Bank und zwei weiteren niederländischen Privatinvestoren besteht.
Sie legen Wert darauf, dass es ist nicht Aufgabe der Stadt sei, einen Investor zu suchen. Da klingt eine gewisse Ohnmacht heraus. Haben Sie auf die weitere Entwicklung dieser Riesenfläche noch Einfluss oder haben Sie keinen Einfluss?
Die Stadt hat Einfluss darauf, wie die Entwicklung gestaltet wird. Einmal über das Planungsrecht, das wir geschaffen haben und den städtebaulichen Vertrag, der ja noch viel mehr als der Bebauungsplan festlegt. Eben auch die Gestaltung, die Materialität und die Schaffung von Ersatzwohnraum und ähnliche Dinge. Aber wir haben keinen direkten Einfluss auf die zeitliche Umsetzung des Verfahrens. Das ist ein Problem, da haben wir nur bedingt die Zügel in der Hand.
Hat der städtebauliche Vertrag zwischen der P.E.A. und der Stadt Aachen keine Zeitleiste abgedeckt?
Bebauungspläne haben erst einmal eine unbefristete Gültigkeit. Im städtebaulichen Vertrag sind Fristen festgelegt worden, die der Stadt unter engen Voraussetzungen die Möglichkeit geben, den Bebauungsplan aufzuheben. Die Aufhebung eines Bebauungsplanes lässt sich aber nicht von heute auf morgen und nicht ohne eine genaue Prüfung umsetzen. Wenn wir jetzt unbedacht sagen würden, wir legen da eine andere Bebauungsmöglichkeit drüber, dann käme man in die Regresssituation als Stadt. Unser vorrangigstes Interesse kann daher nur die Errichtung der Kaiserplatzgalerie sein.
Welche Pflicht erwächst denn für den Bauherrn daraus?
Pflichten erwachsen schon daraus. Es ist so, dass wir über das Bauordnungsamt gerade auch die Gesellschaft angeschrieben haben, was den Zustand der Fläche angeht. Und klar gesagt haben, dass das Grundstück besser abgesichert werden muss. Allein aus Sicherheitsgründen, aber ich denke auch, um die Optik ein bisschen zu verbessern. Das heißt, wir gehen davon aus, dass in den nächsten zwei Wochen ein neuer Bauzaun errichtet wird, der verhindert, dass man auf dieses Grundstück kommt und dass es unter Umständen Unfälle gibt. Alles Weitere hängt davon ab, wie sich das Vorhaben in den nächsten Monaten entwickelt. Zurzeit sind unsere Eingriffsmöglichkeiten begrenzt.
Also die Stadt könnte auch im Falle eines mehrjährigen Stillstandes keine weiteren Maßnahmen ergreifen?
Das würde ich nicht sagen, aber es ist juristisch schwierig und wird derzeit von uns geprüft.
Aber der Zustand der Fläche bedeutet für viele Anwohner bereits jetzt eine Verschlechterung ihrer Lebenssituation. Es findet womöglich ein Verlust von Wert statt. Wissen Sie, ob die Wertentwicklung rund um den Komplex gelitten hat? Ist es nicht so, dass da gerade privatwirtschaftliche Fehler von der Gemeinschaft getragen werden müssen?
Die Lebensqualitätsverschlechterung mag da sein – ob sie jetzt wirklich existiert oder ob man sie empfindet, weil man an einer so riesigen Baulücke nicht mehr gerne vorbei geht. Es ist sicherlich so, dass das eine Belastung für das Umfeld ist und ich kann den Ärger, teils auch Wut der Anlieger verstehen. Was die Immobilienpreise angeht, kann ich das nicht bestätigen. Es gibt jedes Jahr eine Bewertung von Immobilienpreisen, und die sind in diesem Bereich nach wie vor sehr hoch.
Viele Menschen sind empört.
Es war früher eine intakte Struktur da, die jetzt nicht mehr vorhanden ist. Und das Versprechen, dass da schnell wieder eine gute Struktur entsteht, wird vom Projektträger im Moment nicht eingelöst. Die Kritik von Anwohnern und Bürgern kann ich sehr, sehr gut verstehen.
Anwohner berichten von Rissen in ihren Häusern, die direkt an der Fläche stehen.
Was Bauschäden angeht, ist das eine Sache, die im direkten Kontakt mit der P.E.A. geregelt werden muss. Da denke ich, dass jeder Eigentümer zu seinem Recht kommen wird.
Fühlen Sie sich als Stadt nicht in der Pflicht, öffentlich massiv darauf zu drängen, dass in Sachen Lebensqualität etwas passiert?
Öffentlich drauf zu drängen, was hilft das? Wir schreiten in baurechtlichen Fragen ein, z.B. wie eben gesagt – über das Bauordnungsamt, um einen neuen Zaun errichten zu lassen. Und natürlich führen wir regelmäßige Gespräche mit der P.E.A., um uns nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen. Daher kommt das Wissen: Es gibt tatsächlich Interessenten für das Grundstück. Aber die Entscheidung, es zu verkaufen, die können wir tatsächlich nicht – und das finde auch ich unbefriedigend – nicht beschleunigen.
Regelmäßige Treffen mit der P.E.A? Heißt das, es gibt fixe Treffen einmal im Monat?
Es gibt regelmäßigen Austausch mit der P.E.A.
Wenn diese Investoren nicht kommen, wie ist der Plan B von Gisela Nacken?
Es geht nicht um einen Plan B von Gisela Nacken, Es geht um eine wichtige Entwicklung für diese Stadt. Stellt sich heraus, dass es keine Investoren für ein Einkaufszentrum an dieser Stelle gibt, dann werden wir agieren und an dieser Stelle neu denken. Aber noch mal: Ich gehe nicht davon aus. Denn es gibt deutliche Signale. Das ist für eine solche Entwicklung eine 1A-Lage. Und es wird Investoren geben, die das Geld mitbringen.
Das heißt, es gibt keinen Plan B?
Es macht keinen Sinn, zum jetzigen Zeitpunkt über einen Plan B zu reden – und schon mal gar nicht öffentlich.
Es gibt jetzt diese Kampagne „Extraraum“. Die Stadt ruft dazu auf, Wohnraum zu schaffen für Studierende. Salopp gesagt, bittet die Stadt das alte Hausmütterchen, ihr Hinterzimmer für einen Studenten herzurichten. Haben wir am Kaiserplatz nicht ein perfektes Hinterzimmer, um beispielsweise temporär einen Containerpark für Studenten zu bauen? Das könnte doch sehr bunt und lebendig sein. Andere Aachener schlagen vor, mehr Grünflächen zu gestalten.
Ja, ganz klar, das sind aus heutiger Sicht, beides gute Ansätze. Auch ich habe darüber nachgedacht, ob das nicht eine Fläche für studentisches Wohnen in Containerform sein könnte, also auf Zeit. Aber noch mal. Die Stadt ist derzeit planungsrechtlich gebunden, die Fläche gehört uns nicht und es gibt konkretes Interesse an der Entwicklung dieser Fläche in der Form der bisherigen Planungen.
Aber was bedeutet: konkretes Interesse? Die wirtschaftliche Lage scheint doch eher zu zeigen, dass im Moment kein Geld für solche Projekte locker gemacht wird?
Es gibt Investoren mit sehr viel Geld, das sie genau bei solchen Projekten anlegen wollen und nicht mehr in Aktien oder anderen Geldgeschäften. Diese Investoren suchen nach Standorten wie hier in Aachen, damit sich ihre Investition langfristig lohnt.
Sagt Ihnen das auch Ihr Gefühl?
Ja, auch mein Gefühl sagt mir das.
Auch nach drei Jahren noch?
Auch nach drei Jahren.
Es wurde beobachtet, dass vor kurzem noch ein Haus abgerissen wurde. An der Ecke gegenüber vom Adalbertsberg. Diese Abrissgenehmigung ist ja im Frühjahr 2010 auf den Weg gebracht worden. Ist es denn verständlich, dass auch dann, wenn kein Investor in Sicht ist, die Phase des Abreißens weiter betrieben wird? Es werden ja weiterhin Tatsachen geschaffen…
Unsere Genehmigungen liegen vor und diese Genehmigungen können wir nicht zurückholen. Es gibt keine Handhabe, sie zurück zu holen.
Finden Sie die aktuelle Situation nicht besorgniserregend?
Ich würde nicht sagen besorgniserregend, aber es ist frustrierend. Es ist frustrierend, dass es einstimmig gefasste Beschlüsse für diese Entwicklung gibt, die Verwaltung gut und schnell gearbeitet hat, um Planungsrecht herzustellen, und dass man dann in diese Situation gerät: Der Bauherr, der vorher natürlich Druck gemacht hat, um schnell eine Genehmigung zu bekommen, kommt mit der Umsetzung nicht zu Potte. Das ist natürlich sehr frustrierend.
Dann bleibt ja eigentlich nur zu wünschen, dass jetzt nicht jemand kommt, der sagt: Gut, 240 Millionen schaffe ich nicht, aber 90 Millionen, da mache ich was Nettes draus. So dass man quasi – damit überhaupt etwas passiert – auch die C-, D- oder F-Variante dieses Komplexes akzeptiert, die dann eigentlich nur eine Billiglösung sein kann.
Baurecht gibt es nur für das, was wir beschlossen haben. Und ich denke, aufgrund dieses Prozesses, sind sowohl Verwaltung als auch Politik ganz klar in der Linie, dass es da keine maßgeblichen Abweichungen geben wird.
Frau Nacken, herzlichen Dank für das Gespräch.
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