Von Sebastian Dreher
Aus, vorbei, das Hauptquartier ist zu. 30 Jahre Punkrock-Zentrum der Region, 30 Jahre Subkultur, 30 Jahre Anlaufstation für alle, die laute Musik mögen, Bier und Protest. Seien wir ehrlich, das ist keine Nachricht, die den Großteil der Aachener Bürger interessiert.
Das ist keine Nachricht, mit der sich Politik und Wirtschaft beschäftigen, höchstens der städtische Kulturbetrieb. Denn das Hauptquartier hat immer nur eine kleine Zielgruppe angesprochen, zu speziell die musikalische Ausrichtung, zu abgeranzt die Theke, die Toiletten – eigentlich alles.
Gründung im Frühling ‘82
Und doch war die Punkrock-Bar mehr als die Altherrenkneipe an der Ecke, ergänzte durch ihre Authentizität und Originalität die Aachener Kulturszene, war einfach das Hauptquartier. Maria Maria Plum hat das HQ im Frühling 1982 gegründet, zusammen mit Wilfried Tertin, freischaffender Künstler und Lebemann, der sich in der Inneneinrichtung der Kneipe verwirklicht hat wie kein zweiter.
Seitdem war das HQ so etwas wie eine begehbare Tertin-Ausstellung – doch anders als im Museum war das Trinken und Feiern durchaus erwünscht. „Radikal ‘ne Kneipe machen, die uns gefällt, die schrill ist, wo wir uns wohlfühlen“, sagte Maria Plum dem Klenkes 1988. „Kompromisse: Horror!“ Und genau diese Einstellung war es, die dem Promenadenviertel der damaligen Zeit gefehlt hat und das HQ zum Kult machte.
Legendäres Straßenfest zum 15. Geburtstag
Zweimal im Jahr hat Tertin das HQ umgestaltet, Genehmigungen, etwa zum Brandschutz, wurden nicht eingeholt. „Da gab es einige Sachen, bei denen die vom Ordnungsamt in Ohnmacht gefallen wären“, sagt Maria Plum. „Etwa der Gazehimmel über der Theke.“
1994 kreierte Tertin sein bis heute das Interieur des HQ bestimmende Kettensägenmobiliar, indianisch anmutende Holzskulpturen. Einzig das über der Theke hängende Schild „Maria hilf“ blieb übrig von der alten Deko. Das hatte Maria Plum von ihren „Fans“ geschenkt bekommen, die sie von ihrer Zeit als Kellnerin im Domkeller kannten.
In besonderer Erinnerung ist Maria Plum die 15. Geburtstagsfeier des HQ. „Wir haben einfach die komplette Promenadenstraße gesperrt, Tische hingestellt und gefeiert.“ Als die Polizei anrückte und meinte, die Leute sollten doch wieder reingehen, meinte Maria Plum kurz: „Drinnen ist ja auch alles voll.“ Die Beamten zogen wieder ab.
Proppenvoll am heiligen Abend
Legendär waren auch die Partys zu Heiligabend, ab 22 Uhr ging das weihnachtliche Gegenprogramm los. „Da war es immer proppenvoll“, sagt Kurt Kitzing, HQ-Stammgast der ersten Stunde.
„Das HQ war eine der wenigen Kneipen, die auf hatten. Da sind dann nach Familiy-Programm alle hin.“ Akzente setze auch der langjährige DJ Papst Pest alias Frank Castro, eigentlich Frank Buchholz. Immer mittwochs gab es die „Punkrock-Karaoke“, doch auch eigenwilligere Konzepte wie die „Magen-Darm-Partys“ kamen gut an. Da wurden schon mal Koteletts an die Wand genagelt oder teuflische Mischungen aus Dosenbohnen und Schnaps kredenzt.
Kreissägenthron im Wohnzimmer
Natürlich gab es auch traurige Momente. Etwa als sich Karl „Charly“ Hulverscheidt, Kellner von Anfang an, das Leben nahm. Charly war für die extremen Abende zuständig, Lesungen, Kurzfilmvorführungen oder die „Seltsamen Dienstage“.
Oder als der „Ranger“ starb, ein Obdachloser, der jahrelang zwischen HQ, der Promenadenstube und dem Bushof hin- und herwanderte und von den Gästen respektiert und mit Bier und Zigaretten versorgt wurde.
2004 stieg Maria Plum aus und übergab das Zepter an Dieter Lamour. Sie kellnerte noch einige Jahr im HQ, dann hörte sie ganz auf. Momentan arbeitet sie in einem Heim für geistig Behinderte.
Im HQ ist sie seit Jahren nicht gewesen. Doch ohne ein Souvenir wollte sie dann doch nicht gehen. „Den Kreissägenthron von Wilfried habe ich mitgenommen“, sagt sie. „Der steht jetzt bei mir im Wohnzimmer.“ ///
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