Ein etwa vier Meter hoher Raum, Kameraüberwachung, keine Möbel, in der Mitte eine Matratze und drei Ösen für Fesseln. Im Knastjargon kennt jeder den Begriff „BGH“. Er steht für „Besonders Gesicherter Haftraum“. Die Gefangenen sprechen auch von der B-Zelle, meistens aber vom Bunker. Hier kommt rein, wer ausgerastet ist. Selbstmordkandidaten oder besonders aggressive Inhaftierte nach einer Attacke.
Der Ort hat eine schlechte Aura. Bis in Kniehöhe zeugen Trittspuren an der nackten, weißen Wand von Zorn und Gewalt. Die Ecken des Raumes sind gerundet, wegen der Verletzungsgefahr. An der Seite ein Fenster aus Panzerglas, dahinter sitzt dann ein Beamter zur Beobachtung, wenn der Gefangene gefesselt werden muss. Norman Faber, Schichtführer im Hafthaus 2 der JVA, hält die Details nicht zurück: „Der eine klatscht Essensreste an die Wand, der andere verschmiert den Spion mit Exkrementen. Die meisten legen aber nur die Matratze in die Ecke und ziehen sich die Decke über den Kopf. Dann muss man warten.“ Das Licht der Neonröhre bleibt an.
Die Prozedur ist streng geregelt. Alles wird dokumentiert. Ausziehen, nach Rasierklingen oder anderen Waffen durchsuchen; Unterwäsche, T-Shirt, Socken und Schlappen übergeben, eine Decke. Es gab schon Gefangene, die zwei Wochen hier waren. „Aber das ist die Ausnahme. Nach zwei, drei Tagen hat derjenige in der Regel genug und will nur noch raus“, sagt Faber.
Praktische Resozialisierung
Es gibt noch einen Begriff für den BGH. Brigitte Kerzl, die stellvertretende Leiterin der JVA, nennt ihn oft den „sensiblen Bereich“. Vor allem, wenn sie erklärt, warum ausgerechnet dieser Raum einen Wohlfühlanstrich bekommen soll. Für einen Tag hat Kerzl die Presse eingeladen, um das Konzept vorzustellen. Kamerateam, Reporter und Fotografen stehen um die Matratze herum, darauf ausgebreitet unterschiedliche Farbtafeln. Faber, der Wärter in dem grünen Uniform-Hemd, hat gerade gesagt, dass er das kritisch sehe: „Wer hier drin ist, nimmt seine Umgebung sowieso nicht wahr.“
Kerzl entgegnet: „Wenn wir die Aufenthaltsdauer nur um wenige Stunden verkürzen, weil sich der Gefangene schneller beruhigt, dann ist das schon ein Erfolg.“
Die Kritik an der Farbgestaltung im Bunker nimmt sie ernst, sieht sich aber auf dem richtigen Weg: „Als wir damals Klavierunterricht und Kochkurse angeboten haben, schlugen die Wellen auch hoch. An solche Projekte müssen sich Inhaftierte und Bedienstete erstmal rantasten. Nachher wurden die Neuerungen dann immer mit Freude angenommen.“ Schließlich gehe von einem ausgeglichenen Insassen auch ein geringeres Risiko für das Personal aus. Der Auftrag laute, den Aufenthalt hinter den Gefängnismauern so weit es geht an die Welt draußen anzugleichen. Das sei praktische Resozialisierung.
Grün steht für Wiese
Neben dem Bunker werden auch zwei Flure umgestaltet, einer in der Jungtäter-Abteilung und einer bei den Lebenslänglichen. Die Farb- und Lichtkonzepte sind von Experten ausgearbeitet worden, wobei die Gefangenen von Anfang an mitreden durften. Ein Flurabschnitt wurde unter dem Schlagwort „Sportplatz“ angelegt. Grün steht für Wiese, Blau für Himmel, Gelb für Sonnelicht. Von der Farbdesignerin Anja Zimmermann stammt letztlich das Konzept „Die typischen Gänge hier sind ein blassgelbes Einerlei. Sie sind lang und erzeugen eine beklemmende, unwirkliche Atmosphäre. Wir haben nun mit den Farben den Raum strukturiert, ihn geweitet. Die Farbtemperaturen wirken direkt auf die Psyche.“ Gleichzeitig hat ein Lichtpädagoge die Neonröhren zum Teil mit bunten Folien abgeklebt und damit das weiße Licht als „Stressverursacher“ ausgeschaltet.
Der neue Anstrich gefällt auch den Gefangenen ganz gut. Bekanntschaft mit dem Bunker will aber keiner schließen, auch wenn der demnächst in Honigmelone-Gelb gestrichen wird.
Text: Lutz Bernhardt
Fotos: Christian Dang-anh
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