Von Lutz Bernhardt
Es hat symbolischen Charakter, wenn das erste von zehn Handlungsfeldern des Masterplans das Thema Wohnen behandelt. Denn darunter fallen die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen: Er braucht einen Ort, der ihm Geborgenheit und Intimsphäre ermöglicht, der ihm Raum für Regeneration vom Arbeitsalltag und für sein Familienleben gibt und dabei sicher und bezahlbar ist.
Wohnen und Wohlfühlen gehören zusammen. Nach dem heutigen Stand des Wissens wird Aachen – wie andere deutsche Städte auch – schrumpfen, allein weil weniger Kinder geboren werden. Stark vereinfacht verliert die Stadt bis 2030 pro Jahr im Durchschnitt knapp 1.000 Einwohner.
Mehr Menschen nach Aachen locken
Aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen hat die Stadtgesellschaft aber ein starkes Interesse daran, die Bevölkerungszahl in etwa auf heutigem Niveau zu halten: sprich bei etwa 247.000. Dies gelingt nur durch das „Erzielen von Wanderungsüberschüssen“, wie es im Fachjargon heißt.
Um Wegzüge und Sterbefälle auszugleichen müssen also mehr Menschen nach Aachen ziehen. Aber warum sollten sie das tun? Bislang wird davon ausgegangen, dass die Hochschulen als Motor des regionalen Wirtschaftsstandorts für zusätzliche Arbeitsplätze sorgen werden. Allein von den Campus-Projekten erhofft man sich zwischen 5.000 und 10.000 neue Stellen.
Damit die potenziellen Arbeitnehmer hier aber nicht nur Geld verdienen, sondern auch leben, braucht es bessere Wohnangebote. Bereits der heutige Wohnungsbestand reicht aber vorne und hinten nicht: Es gibt zu wenige Einfamilienhäuser und Mehrzimmerwohnungen; die Preise steigen und drängen gerade junge Familien immer weiter in die umgebenden Kommunen.
Qualität und Quantität verbessern
Der Masterplan formuliert als konkrete Ziele, dass hier mit Neubau-Projekten und mit einer Verbesserung des vorhandenen Bestandes gegengesteuert werden soll. Verbesserung heißt auch, dass etwa Baulücken, Dachgeschosse oder sogar Büros und Ladenflächen zu Wohnungen umgebaut werden könnten.
Ein zweites großes Thema des Handlungsfelds Wohnen ist – allgemeiner formuliert – eine „umfassende Qualitätsoffensive“. Dahinter verbirgt sich die Anpassung des Bestands an demografische, klimatische und technologische Veränderungen.
Weil die Menschen immer älter werden und die Zahl der Alten steigt, müssen zwangsläufig auch die Grundrisse der Wohnungen an die Bedürfnisse im Alter angepasst werden.
„Andalusisches Klima“ in 90 Jahren
Eine andere wichtige kommunale Aufgabe wird es sein, bei der Stadtentwicklung Arme und Schwache nicht zu vergessen. Immer mehr Wohnungen scheiden aus der Mietpreis-Bindung aus. Damit droht eine Entwicklung, an deren Ende Segregation und Ghetto-Bildung stehen könnten.
Dies zu verhindern, ist ebenfalls ein erklärtes Ziel des Masterplans. Ob reich oder arm – der klimatische Wandel wird das Leben aller Menschen in Aachen verändern. Und zwar dramatisch. Das vielzitierte „andalusische Klima“ soll hier in 90 Jahren herrschen. Schon ab 2030 soll sich der Temperaturanstieg deutlich bemerkbar machen.
Erste Ansätze zur Orientierung
Ähnlich wie bei der geplanten Siedlung Richtericher Dell soll bei Neubauprojekten der Klimaschutz, beziehungsweise die Anpassung an den Wandel Priorität haben. Bei der Sanierung von Altbauten fordert der Masterplan eine besondere Sensibilität bei denkmalgeschützten Häusern und bei der Erhaltung des identitätsstiftenden Stadtbildes.
In welcher Stadt wollen wir leben? Wie kann das Miteinander der Kulturen und Generationen durch eine kluge Art des Wohnens gesteuert werden, welche Schritte sind heute nötig, um die Probleme der 2030er Jahre in den Griff zu bekommen? Der Masterplan Aachen 2030 liefert erste Ansätze und damit eine Orientierung. Er soll in den kommenden Jahren aber immer wieder überprüft und angepasst werden. ///
Lesen Sie im nächsten Klenkes: Teil 2: WIRTSCHAFT
(Foto: Stadt Aachen / Wergen)
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