Von Sebastian Dreher
Köln hat sie, Düsseldorf hat sie, ja selbst Krefeld hat sie: die Straßenbahn. Dem straßenbündigen Schienentransport haftet ein Hauch von Metropole an. Und Nostalgie – mit der Campusbahn würde erstmalig nach über 40 Jahren wieder eine Tram durch die Stadt rollen.
Und das drückt manchen Aachenern nicht nur auf die Tränendrüse, sondern packt sie an der Eitelkeit. Hat Aachen mit seinem regionalen Stellenwert und der Exzellenzuniversität nicht solch ein in die Zukunft gerichtetes Transportmittel verdient?
Bürgerinitiative „Campusbahn=Größenwahn“
Ja, sagen die Befürworter des Projektes, allen voran SPD, Grüne und Linke. Mittlerweile haben sich auch CDU und IHK für die Bahn ausgesprochen. Erklärte Gegner bleiben FDP, Piraten und die Bürgerinitiative „Campusbahn=Größenwahn“.
Deren Sprecher Maximilian Slawinsky zweifelt sowohl die Notwendigkeit des Konzepts, als auch die Finanzierbarkeit an. Er glaubt nicht, dass die jährlichen Betriebskosten zwischen 4 und 6,5 Millionen Euro (inklusive der Kosten für Zins und Tilgung der Kredite) durch die Summe gedeckt werden können, die der Wegfall des Fonds der Deutschen Einheit freigibt. Ab 2019 soll der Aachener Haushalt nämlich von 15 Millionen Euro jährlichen Ausgaben entlastet werden. „Der Staat wird diese Abgaben vielleicht unter anderem Namen beibehalten.“
Steigenden Fahrgastzahlen gerecht werden
„Das können wir heute noch nicht wissen und nicht zur Grundlage unserer Planung machen“, sagt Regina Poth, Leiterin der städtischen Straßenbauabteilung und Geschäftsführerin der Campusbahn GmbH. Sicher sei, dass so oder so Kosten anfallen werden. Wenn die Campusbahn nicht gebaut wird, müsse das bisherige Bussystem ausgeweitet werden, um den steigenden Fahrgastzahlen gerecht zu werden.
1,83 Millionen Euro jährliche Betriebskosten, schätzt die Stadt, würde auch das kosten.
Poth: „Tiefbauprojekte sind normale Sache“
Ein weiterer Kritikpunkt der Bürgerinitiative betrifft die Förderung des Trassenbaus. Der Bau der Gleisanlagen verschlingt insgesamt 130 Millionen Euro. Davon sollen 90 Prozent durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gefördert werden.
Laut Slawinsky funktioniert das so nicht. „Das Gesetzt fördert nur ‘besonderen’, also ausschließlich von der Bahn befahrbaren Bahnkörper.“ Das führe allerdings zu vielen Engpässen, weil ein Großteil der Strecke, etwa der Adalbertsteinweg, zweispurig werden müsse – eine der großen Befürchtungen der Aachener Bürger.
„Herr Slawinsky hat mit dem Gesetz Recht“, kontert Poth. „Allerdings springt in einem solchen Fall das Land ein, so dass die Achse Kaiserplatz-Brand vierspurig bleiben kann.“ Gigantische Kostenexplosionen beim Bau seien ohnehin nicht zu erwarten, „solche Tiefbauprojekte sind für uns eine normale Sache“, wie Poth meint.
Bürgerentscheid am 10. März
Natürlich gebe es für Details noch Spielraum. Etwa für die Brücke am Westbahnhof oder die Ausstattung der 25 geplanten Wagen – für die Kalkulation sei auf Mittelwerte zurückgegriffen worden (siehe unten).
Am 10. März soll der Bürgerentscheid endgültig Aufschluss geben, wie es mit dem „Jahrhundertprojekt“ weitergeht. Diese Abstimmung wird wie eine ganz normale Kommunal- oder Bundestagswahl ablaufen, inklusive der Möglichkeit zur Briefwahl.
Und wenn die Bürger „Nein“ sagen zur Bahn? „Die Entscheidung ist bindend“, versichert Poth. „Dann ist die Sache gestorben.“ Bis zu diesem Zeitpunkt wären bereits 673.000 Euro für Gutachten, Bürgerveranstaltungen und ähnliches angefallen. Und eine große Chance wäre vertan. ///
Campusbahn – die Fakten
Strecke: Universitätsklinikum – RWTH Campus – Bushof – Brand
Länge: 12,3 km
Fahrzeugzahl: 25
Fassungsvermögen pro Wagen: 200 Personen (Doppeltraktion möglich)
Haltestellen: 24
Takt: 7,5 Minuten
Bauausführung: Mitte 2016 bis Ende 2018
Kosten: 243 Mio. Euro, davon ca. 120 Mio. Euro städtischer Anteil
Betriebskosten: 4-6,5 Mio. Euro jährlich (inklusive Zins und Tilgung der Kredite)
(alle Angaben: Stadt Aachen)
(Foto-Montage: HJPplaner)
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