Von Christoph Löhr
Ein wenig fühlten sich Mona Creutzer, Annette Schmidt und Jochen Deuticke in den vergangenen Wochen an das Jahr 1995 erinnert. Damals wie heute mussten die drei Schauspieler einen Umzug für das von ihnen gegründete Theater K über die Bühne bringen.
Und damals wie heute lief die ganze Arbeit, die bei solch einem Umzug anfällt, parallel zu den eigentlichen Aufgaben eines Theaterensembles. Die freie Zeit, die zwischen Konzeption und Inszenierung von Stücken, zwischen Kulissenbau und Proben anfällt, ist aktuell gefüllt mit der Vorbereitung ihrer neuen Spielstätte, mit dem Ein- und wieder Auspacken von Kisten.
Zudem organisiert sich die finale Abschiedsparty „Bye Bye -Bastei“ Mitte August auch nicht von alleine. „Eigentlich ist es Wahnsinn, einen Umzug zu regeln und gleichzeitig produktiv zu sein“, bewertet Mona Creutzer das aktuelle Pensum. „Was uns bei der Bewältigung hilft, ist, dass wir Stress und Anspannung in positive Energie umgewandelt haben.“
Der Grund für den Stress ist die erschwerte Suche nach einer neuen Heimat, die wiederum überhaupt nicht an den Umzug von 1995 erinnert. Seinerzeit war man nach dem Ende in der Rudolfstraße – Gründungsort und Adresse der allerersten Theater-K-Bühne – recht bald fündig geworden.
Auf eigene Faust renovierte man die seit zwei Jahren leerstehende Bastei und schuf sich so eine mehr als passende Bleibe. Gegenwärtig stellt sich die Situation nicht ganz so einfach dar. Seit ihnen mitgeteilt worden ist, dass der Ende August auslaufende Mietvertrag für die Bastei nach 19 Jahren nicht mehr verlängert werden wird, haben Schmidt, Creutzer und Deuticke etliche potenzielle neue Orte für das Theater K besichtigt.
Schall und Raum
Besonders ein Haus an der Jülicher Straße hatte es ihnen angetan. Doch nachdem das Gebäude anfänglich noch nach der perfekten Lösung ausgesehen hatte, machte ein Schallschutz-Vorgutachten den Einzugswilligen einen Strich durch die Rechnung.
Andere Optionen lösten sich aus ähnlichen Gründen in Luft auf: zu hoch die behördlichen Hürden, zu dicht das Auflagendickicht. Annette Schmidt nimmt den Vorschriften-Crashkurs der vergangenen Wochen und Monate mit Galgenhumor: „Mittlerweile kennen wir uns so gut aus, dass wir für manche Häuser schon gar keinen Antrag mehr gestellt haben.“
Einen Teilerfolg gibt es allen Rückschlägen zum Trotz dennoch zu feiern: Immerhin konnte verhindert werden, dass das Theater K komplett in die Heimatlosigkeit schliddert. Weil im Depot Tuchwerk in der Soers auf lange Sicht ein Textilmuseum geplant ist, fungiert der Backsteinbau am Strüverweg allerdings von vornherein als Interimslösung.
Wenn alles nach Plan läuft, soll sich hier Mitte September der erste Vorhang heben. Die Suche nach einer festen Bleibe geht für die Leute vom Theater K aber auch nach Umzug und Premiere weiter. Als Ideal schwebt den Schauspielern ein Ort vor, der möglichst nahe an der Innenstadt liegt und an dem man eine enge Verbindung mit Nachbarn und anderen Kulturschaffenden eingehen kann.
Aus einem solchen Geist des konstruktiven Neben- und Miteinanders heraus ist das Theater K im Jahr 1986 überhaupt erst gegründet worden.
Was ihnen in dieser Situation des nur vorläufigen Ankommens hilft, ist die Tatsache, dass sie sich noch nie allzu abhängig von irgendwelchen Orten gemacht haben. „Wir sind das Theater, nicht die Räume, in denen wir spielen“, bringt es Annette Schmidt auf den Punkt.
Auch schon zu Zeiten, als sie mit der alten Schreinerei in der Rudolfstraße oder der Bastei über feste Spielstätten verfügten, haben sie und ihre Mitstreiter immer wieder die Herausforderung gesucht, an gänzlich anderen Orten zu spielen.
Anarchie im Niemandsland
Dass die Burg Frankenberg heute auch eine Theaterlocation ist, ist nicht zuletzt dem Theater K zu verdanken. Mit zwei Produktionen machten sie das alte Gemäuer im Frankenberger Viertel kulturell quasi urbar.
Und auch an der Stelle, an der heute der Aachener Campingplatz beheimatet ist, haben es Deuticke, Creutzer und Schmidt mit „König Ubu“ einst dramatisch werden lassen. Die Bühne damals: ein in zwei Teile gesägter Doppeldeckerbus inmitten eines verwilderten Stücks Niemandsland. „Das war ein wunderbar anarchisches Stück Theater an einem wunderbar anarchischen Ort“, erinnert sich Jochen Deuticke gerne an diese Zeit. „So etwas wäre heute wahrscheinlich gar nicht mehr möglich.“
Derart anarchisch wird es aller Voraussicht nach tatsächlich nicht wieder werden. Dennoch bleiben er und seine beiden Schauspielerkolleginnen dieser Tradition des Auswärtsspiels treu. Bis in den Winter hinein sind schon Aufführungen an verschiedenen Orten in Aachen geplant.
Ins Space des Ludwig Forums wird es das Theater K mit den Produktionen „Being Charlemagne“ und „Perplex“ verschlagen, mit weiteren Stücken in die Salvatorkirche, die Klangbrücke, die Fronleichnamskirche und den Glassaal der Kurpark-Terrassen.
Bei soviel Arbeit bleibt kaum Zeit für einen wehmütigen Abschied von der Bastei. Ohnehin geht das Trio erstaunlich unsentimental mit dem Ende nach einer derart langen Zeit um. Einzig beim finalen Vorhang des letzten Bastei-Stücks „Die Galgenvögel“ und den nicht enden zu scheinenden Standing Ovations wurden ein paar Tränchen verdrückt.
Seitdem geht der Blick nur noch nach vorne. „Als Schauspieler sind wir es eben gewohnt, ständig Abschied zu nehmen“, erklärt Annette Schmidt. „Im Lauf der Zeit haben wir so viele Stücke hinter uns gelassen, in die wir viel investiert hatten, dass wir das mit der Bastei jetzt auch gut hinbekommen.“
Wehmut an der Bahnsteigkante
Für Trauer sorgt der Verlust der Spielstätte eher im Umfeld der Theaterschaffenden und bei langjährigen Stammgästen. Mona Creutzer: „Ein bisschen ist diese Situation mit einer Abschiedsszene am Bahnhof vergleichbar: Die Winkenden am Bahnsteig sind traurig. Die Leute im Zug spüren zwar etwas Wehmut, sind aber vor allem auf das Neue gespannt, das ihnen ihre Reise bringen wird.“
Noch eine Party im August, dann wird der Zug endgültig abgefahren sein. Was vom Neuen schon jetzt feststeht, ist das Stück, das die Reisenden inszenieren werden, wenn sie ihre Koffer und Kisten in der Soers auspacken: „Rebellion zu Aachen – Der dramatische Aufstand der Aachener Textilarbeiter im August 1830“ nimmt direkten Bezug zu ihrer neuen Spielstätte.
Und irgendwie erinnert auch das an das Jahr 1995. Die erste Produktion nach dem Umzug in die Bastei war „Der Balkon“ – ein Stück, das in einem Freudenhaus spielt und darum hervorragend in die vormalige Nachtbar passte. Was aus ihr nach dem Auszug des Theater K wird, steht noch in den Sternen. Von Sanierung bis Abriss ist alles möglich. \
Startschuss
Allererstes Stück: „Yvonne, die Burgunderprinzessin“ von Witold Gombrowicz. Premiere war am 15.6.1986
Zweidrittelmehrheit
Insgesamt 113 Produktionen wurden seit der Theatergründung inszeniert. 77 davon fielen in die „Ära Bastei“.
Schluss-Akkord
Eine Abschiedsode an die Bastei gibt’s bei YouTube.
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