Margriet de Moor ist eine der großartigsten Schriftstellerinnen der Niederlande. Aber diese geografische Einschränkung bedeutet nicht, dass sie nicht auch hierzulande zu den besten zeitgenössischen Literatinnen zählt. „Von Vögeln und Menschen“ ist zwei Jahre nach „Schlaflose Nacht“ ihr neuester Roman. Und der hat es in sich.
De Moors Spezialität sind die zwischenmenschlichen Beziehungen, die durch ein zufälliges Ereignis ihre Protagonisten in einen jähen Abgrund blicken respektive stürzen lassen. Obwohl es Belletristik ist, haben ihre Romane immer auch einen kriminalistischen Dreh, und durch die vielen Rollen-, Zeit- und Perspektivwechsel wird man in einen Lesesog gezogen.
„Von Vögeln und Menschen“ erzählt von einer traumatisierten Familienkonstellation: Die Mutter, die sich fälschlicherweise für einen Mord schuldig bekennt, die junge Tochter, die aus dem Familien-Idyll gerissen wird, der Vater, der während der langen Haftstrafe seine Frau verlässt.
Aber auch das Leben der Täterin verfolgt de Moor und führt es direkt am Anfang des Buches zu einem tödlichen Showdown zwischen der mit Wut und Hass aufgeladenen erwachsenen Tochter der damals unschuldig Einsitzenden und der wahren Mörderin.
Der zweite Handlungsstrang widmet sich der Familie des Mannes der Tochter. Rinus, ein einfacher, liebenswerter Mensch, ist beruflich „Vogel-Vertreiber“ am Flughafen -Schiphol, und er und seine Frau ergänzen sich aufs Trefflichste.
„Von Vögeln und Menschen“ ist darüber hinaus ein vorzügliches Panoptikum über den niederländischen Alltag in der Provinz, wo der Wind vom Meer heftig bläst und das Gemeinwesen noch übersichtlich erscheint. Und man erhält einen guten Einblick in das niederländische Justizsystem, das in Bezug auf Resozialisierung und ähnlichem doch ein deutlich anderes als das deutsche ist. \ rm
Margriet de Moor. „Von Vögeln und Menschen“, Hanserverlag, 272 Seiten, 23 Euro
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