Höchst rasant, was Großvater Chabon in den letzten Tagen seines verlöschenden Lebens dem fasziniert lauschenden Enkel Michael so alles erzählt, chronologisch mäandernd, losen Assoziationen folgend, damit der es aufschreibt, „in ausgefallenen Metaphern“. „Make it mean something“, ist sein Wille, und der Enkel gehorcht.
Wenig hat Chabon senior, „der nervige Jude aus Philadelphia“, ausgelassen, wenn es daran ging, gegen die Gesetze gutbürgerlicher Existenz zu verstoßen. Ob als unbotmäßiger Soldat, ob als Ehemann einer psychotischen Frau, als Ingenieur mit genialen Fähigkeiten, als Unternehmer, immer lebt, liebt, agiert er ohne Rücksicht auf Verluste. Nur seinen Plan, den Nazikollaborateur und späteren NASA-Helden Wernher von Braun zu stellen und (auf welche Weise auch immer) unschädlich zu machen, setzt er (leider?) nicht um.
Eine rasante biographische Flugbahn – wen kümmert es, dass sie erstunken und erlogen ist, „… that’s how memory works …“.
Michael Chabons witzsprühende, kapriolensatte „Memoiren“-Schnurre ist (bis auf die metafiktionalen Wahrheiten darin) so ernsthaft wie hemmungslos zusammenfabuliert; #Moonglow bindet seinen Lesern mächtige autobiographische Bären auf, Fake-Facts-Fußnoten und falsche Fährten, garniert mit echten Fakten, literarischen Verweisen. Oder ist es umgekehrt? Und – spielt das denn eine Rolle?
„What the novelist always has up his or her sleeve is the reader’s consent and, in fact, encouragement: „You turn to the storyteller, to the novelist, filmmaker, whatever it is, to say, ,Please lie to me. I want to be lied to. Make it a good one.‘“
A very good one. #Moonglow zeigt Chabon auf der Höhe seines Könnens. Und die deutsche Übersetzung war bei Andrea Fischer in besten Händen. \ Gitta List
Michael Chabon: „Moonglow“, Kiepenheuer & Witsch 2018, 492, 24 Euro
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