Frau Reicher, wann haben Sie zuletzt im Parkhaus am Büchel geparkt?
Daran kann ich mich gar nicht erinnern, denn ich parke so gut wie nie in der Altstadt. Ich weiß aber noch, dass ich schon seit Jahren ein schlechtes Gefühl im Zusammenhang mit diesem Bauwerk habe und allein schon deshalb eher einen Bogen darum mache.
Gerade erst haben die Investoren Sauren und Hermanns ihren Rückzug aus dem Projekt der Neugestaltung für das Viertel angekündigt. Damit droht weiterer Stillstand.
Richtig, und diese Aussicht behagt mir überhaupt nicht. Zumal man ja zwischenzeitlich auf einem wirklich guten Weg war. Davon scheinen wir heute meilenweit entfernt zu sein.
Können Sie den Schritt der Investoren nachvollziehen?
Das kann ich durchaus. Wenn nach mehreren Jahren der Planung noch immer kein klarer Zeitplan auf dem Tisch liegt, überlegt sich ein Investor natürlich, ob er seine Geschäftsinteressen noch gewahrt sieht. Natürlich ist das jetzt ein weiterer Rückschlag für das ganze Altstadtprojekt, aber das Scheitern hat zu diesem Zeitpunkt diverse Väter.
Der Bund Deutscher Architekten ist zuletzt mit seinem Brief an die Stadt ziemlich abschlägig beschieden worden. Wie haben Sie die patzige Reaktion aus den politischen Lagern empfunden?
Wenn Stadtentwicklung zum Stadtgespräch wird, dann ist dies erst einmal sehr zu begrüßen. Und in der Regel sollte man seitens der Stadt davon ausgehen, dass sich Außenstehende mit einem positiven Grundgedanken äußern. Denn das alle einende Anliegen ist doch wohl, dass es mit der Aufwertung der Altstadt voran geht. Es muss ein neuer Dialog her, der ohne Eitelkeiten und dem Gefühl von Bevormundung geführt wird. In diesem speziellen Fall sollte allen daran gelegen sein, das Thema Büchel jetzt sachlich und zielorientiert voran zu bringen.
Sie haben den „guten Weg“ erwähnt, auf dem man einmal war. Wie sah dieser aus?
Ich blicke an dieser Stelle gern zurück in das Jahr 2015. Seit dem äußerst vielsprechenden Ergebnis des Architektenwettbewerbs ist leider wenig passiert. Man hatte damals das Gefühl, die Beteiligten aus Politik, Verwaltung und Investorenschaft, aber auch die Grundstücksbesitzer und sogar die Protagonisten des Rotlichtmilieus begegnen sich mit Gestaltungswillen. Davon ist wenig übrig geblieben. Doch genau da müssen wir wieder hin. Am Ende wollen doch wohl alle, dass etwas zum Wohle der Stadt und ihrer Menschen passiert.
Die Stadt Aachen hat in Aussicht gestellt, den Abriss und Umbau selbst in die Hand nehmen zu wollen. Ein realistisches Vorhaben?
Durchaus, es gibt gelungene Beispiele in anderen Städten, wo man städtische Entwicklungsgesellschaften auf den Weg gebracht hat. Von Anfang an muss klar sein, dass so eine Institution finanzielle Verfügungsgewalt sowie Zugriff auf Grund und Boden benötigt und von Experten geführt und fachlich begleitet werden muss. Wenn man das finanzielle Risiko nicht an Investoren abgeben will, muss man sämtliche Belange selbst regeln. Dazu gehört auch die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Ressourcen.
Nach wie vor steht die Stadt ohne Bau- und Planungsdezernenten da. Bei dieser Personalie scheint sich weiterhin wenig zu tun. Oder wissen Sie mehr?
Nein, tatsächlich habe ich da keinen Einblick. Ich finde aber, diese Personalie sollte jetzt absolute Priorität haben. Mit einem Dezernenten oder einer Dezernentin als Schlüsselfigur mit großer Expertise könnte das Thema Altstadtquartier neue Fahrt aufnehmen. Alle sehen, dass es so nicht weitergehen kann. Es ist an der Zeit, neue Visionen für die Innenstadt zu entwickeln. Für den Büchel haben wir ein gutes Konzept, das eine Übereinkunft der unterschiedlichen Interessen in der Umsetzung braucht. Auch ein zusätzlicher Mediator oder Moderator könnte hier eine wichtige Rolle übernehmen, um die nahezu brachliegenden Gespräche zwischen den Beteiligten wieder ans Laufen zu bringen. Es ist darüber hinaus noch immer dringend geboten, diversen Beteiligten die Angst vor Veränderung zu nehmen und Bilder von der Zukunft dieser lebens- und liebenswerten Stadt zu präsentieren.
Ab Frühjahr 2019 bringen Sie mit Ihren Studierenden ein Projekt auf den Weg. Der Titel: „Aachen 2040+. Visionen für eine lebenswerte Stadt“. Könnte da nicht die eine oder andere Idee für die Verantwortlichen abfallen?
Das wäre natürlich schön, denn ich verstehe unsere Rolle als Hochschule im Sinne eines Think Tanks, der Ideen generieren kann. Das Projekt soll in erster Linie den Horizont des Denkens erweitern. Die Studierenden dürfen mit der Frage „Was wäre wenn …?“ auch mal weit in die Zukunft blicken und das scheinbar Unmögliche denken. Ich habe ein ähnliches Projekt bereits für die Stadt Dortmund mit Studierenden durchgeführt mit dem Ergebnis, dass alle Beteiligen, vom Oberbürgermeister bis zu ganzen Schulklassen, über die Visionen diskutiert haben. Am Ende saßen die Studierenden mit den Stadtoberen an einem Tisch, um über die Umsetzung von Teil-Ideen zu diskutieren. Wenn wir einen solchen Dialog auch in Aachen schaffen könnten, wäre ich stolz und zufrieden. \
Christa Reicher
Die Stadtplanerin und Architektin ist seit 1. Oktober 2018 Leiterin des Instituts für Städtebau an der RWTH.
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