Wer an Kranken- und Altenpflege denkt, denkt oft an unterbezahlte Schichtarbeit, ewigen Zeitdruck und Rückenprobleme, die in eine frühe Berufsunfähigkeit münden – leider kein unrealistisches Szenario. Dabei kann eine pflegerische Ausbildung ein solides Fundament für viele Zusatzqualifikationen und Studienberufe bilden, die einem ganz neue Möglichkeiten eröffnen.
Der Pflegenotstand ist inzwischen allgemein bekannt und geistert als Schreckgespenst durch die Medien. Die Zahlen schwanken schonmal, Einigkeit herrscht aber darüber, dass der demographische Wandel einerseits – immer mehr Menschen werden immer älter, während die Geburtenrate nur sehr langsam steigt, andererseits das schlechte Image der Pflegeberufe schuld daran sind, dass fast überall händeringend nach Pflegekräften gesucht wird. In Deutschland sind zur Zeit schätzungsweise 35.000 Stellen unbesetzt.
Mit Herzblut dabei
Thomas Berg entschied sich im Jahr 2000 nach seinem Zivildienst und einem spät abgebrochenen Jurastudium für eine Ausbildung zum Krankenpfleger am Aachener Klinikum, ab 2003 arbeitete er als Pfleger in der Herzchirurgie. „Man kann in der Pflege nicht gesund alt werden“, stellte er schnell fest, „wer das macht, ist mit Herzblut und Überzeugung dabei, wird aber regelrecht ausgequetscht. Die Bezahlung ist schlecht und die Arbeitszeiten sind nicht familienkompatibel.“ Er entschloss sich also dazu, sich weiter zu qualifizieren und studierte an der Katholischen Hochschule in Köln Pflegewissenschaften mit dem Schwerpunkt Pflegemanagement, 2010 hielt er seinen Master in den Händen und arbeitet nun als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Klinikum. Der 46-Jährige hat sich auf die Betreuung von Patienten spezialisiert, die mit einem Kunstherzsystem leben: Er hilft direkt nach der OP, schult die Patienten und ihre Angehörigen im Umgang mit dem Kunstherzsystem, ist Ansprechpartner im Alltag und „übersetzt“ zwischen Ärzten, Patienten, Krankenkassen und Institutionen.
Wie beurteilt er die Situation in seiner Branche?
„In der Pflege geht es eigentlich nur um die Verwaltung des unerfreulichen Status Quo“, so sein Eindruck, „überall fehlen Leute, die Dokumentationspflichten fordern viel Zeit, das geht auf Kosten der Pflegezeit – insgesamt wird einfach nicht genug Geld in das Pflegesystem investiert.“ Und warum sind es so oft Kräfte aus Osteuropa, die trotz der unattraktiven Arbeitsbedingungen in der Pflege arbeiten? „Ich glaube, im Osten gibt es eine Affinität zu Pflegeberufen. Die Frauen von dort sind nicht zimperlich, die kommen auch mit dem Kopf unterm Arm noch arbeiten und wuppen das Ding, teils bis zur Selbstausbeutung. Außerdem haben sie noch mehr Respekt vor dem Alter.“ In letzter Zeit werden aber auch vermehrt Mitarbeiter aus Spanien oder Großbritannien – Stichwort Brexit – eingestellt. Flüchtlinge haben oft keine Qualifikationen, die den deutschen entsprechen: „Syrische Ärzte können hier manchmal nur als Hilfskräfte eingestellt werden“, erzählt Thomas Berg.
Er selbst hat nun geregelte Arbeitszeiten, ein höheres Einkommen und schreibt inzwischen an seiner Doktorarbeit. Als gefragter Ansprechpartner zu Fragen rund um ein Leben mit einem Kunstherz folgt er demnächst einer Einladung nach San Francisco, um dort über Herzpumpen zu referieren. „Es gibt inzwischen zahlreiche Möglichkeiten auf die Pflegeausbildung aufzubauen, ich kann nur empfehlen sich zu informieren und weiter zu spezialiseren“. \
Zur Person
Thomas Berg kann eine Spezialisierung nur empfeheln – der ehemalige Krankenpfleger ist jetzt Fachmann für Kunstherzsysteme. \
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