Von Richard Mariaux
Abbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren. Mit 19 wegen politischer Aktivitäten verhaftet, floh er 1996 aus dem Irak und lebte als illegaler Flüchtling in verschiedenen Ländern. Seit 2000 lebt er in Deutschland. Nach seinem Debütroman „Der falsche Inder“ ist „Deutsch für Anfänger“ bereits sein fünftes Buch.
Bereits der erste Satz im Klappentext seines Buches ist lustig. „Hitler, Scheiße, Lufthansa. Diese drei deutschen Wörter kennt Abbas Khider, als er aus dem Irak flieht.“ Seine Vergangenheit hat es ihm auch nicht sonderlich leicht gemacht. Khider stammt aus einer armen Bagdader Familie, seine Eltern können weder lesen noch schreiben. Zuhause gibt es nur religiöse Bücher. Er beginnt diese Texte zu lesen: „Das hat geholfen, die Poesie zu lesen und zu verstehen.“
In seinem neuen Leben in Deutschland hat Khider bewundernswert viel erreicht. Er studierte Neuere Deutsche Literatur und Philosophie in München und Potsdam. Aus Bayern geht er fort wegen der täglichen Polizeikontrollen. Innerhalb der Berliner Multikulturalität fühlt er sich deutlich wohler, auch wenn er sagt: „Mein deutscher Pass gibt mir keine hundertprozentige Sicherheit“. Für seinen Sohn wünscht er sich, dass er solche Ängste nicht erleben muss.
Gehen, gehte, gegeht?
„Deutsch für alle“ – seine „Sprachfibel“ – landet auf der Spiegel-Bestsellerliste. „Auf Facebook und Twitter wird der Autor mit rassistischen Kommentaren überzogen“, merkt sein Verleger Jo Lendle vom Carl Hanser Verlag im Interview mit dem Deutschlandfunk an. Das Problem ist ein Pöbel, der im Netz durchdreht, wenn jemand daherkommt und sich über ihre eigene Sprache hermacht. Und es wird bisweilen richtig hart, wenn hierzu auch einige Leute von der AfD ihr Gift verspritzen.
Natürlich tappen sie in die Ironiefalle, denn schon dem Buch vorangestellt ist ein Satz wie „Dieses Büchlein ist ernsthafter, sprachwissenschaftlicher Schwachsinn.“ Lendle: „Bloß, es ist ein sehr kluger Klamauk, weil man dadurch erfährt, welche Besonderheiten die deutsche Sprache bereithält und welche besonders kniffelig sind.“
Und wie erkämpft und umgarnt Abbas Khider sich die deutsche Sprache? In der „Berliner Zeitung“ umschreibt er es mit einem Bild. „Es ist, wie wenn man sich mit einer fremden Frau trifft. Wenn die merkt, dass der Mann verknallt ist, wird sie zickig. Lässt das Interesse des Mannes nach, wird sie etwas großzügiger. Ich muss sie weiter erobern.“
Abbas Khider war während des Irakkriegs in Deutschland. Das hat ihn beschäftigt, aber auf Arabisch schreiben wollte er nicht. So hat er angefangen, auf Deutsch zu schreiben. Sein letzter Roman „Die Ohrfeige“ thematisiert exemplarisch seine oft gewählten Themen Vertreibung, Flucht, Exil. Der Iraker Karim Mensky zwingt seine Sachbearbeiterin in der Ausländerbehörde, sich seine Geschichte anzuhören. Er will nicht weiter als unvollständige Akte behandelt werden.
Fast wie konkrete Poesie
Sein 128 Seiten kurzes Kompendium „Deutsch für alle“ hat trotz der Ironie, ein ernsthaftes Anliegen, dem Standardspruch „Deutsche Sprache schwere Sprache“ ein paar linguistische Hilfskniffe entgegenzusetzen. So macht der Autor zum Beispiel alle unregelmäßigen Verben regelmäßig (schwimmen, schwimmte, geschwimmt), lässt die Umlaute verschwinden und vereinfacht die Artikel. Khiders anvisierte Einführung eines Universalartikels „de“ erinnert die Rezensentin der FAZ gar an konkrete Poesie. Und um nochmals den Klappentext zu zitieren: „Es ist ein Vademecum für alle Lauchs, die glauben, die deutsche Sprache bereits zu kennen – und Spaß an ihr haben.“ \
Am Rande
„Wer die deutsche Sprache versteht und studiert, befindet sich auf dem Markte, wo alle Nationen ihre Waren anbieten.“ (J.W. von Goethe) Abbas Khider erhielt unter anderem den Nelly-Sachs- Preis und den Adelbert-von-Chamisso- Preis. 2017 war er Mainzer Stadtschreiber. \
16.5.
Autorenlesung: Abbas Khider liest aus „Deutsch für alle“
19 Uhr, Nadelfabrik
Der Eintritt ist frei
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