Kohlenhydrate, Gluten, gesättigte Fettsäuren, Laktose – kein Tag vergeht, ohne dass wir mit all den schrecklichen Dingen konfrontiert werden, die wir tagtäglich mit der Nahrung zu uns nehmen. Sich über eine ausgewogene Ernährung zu informieren und danach zu richten ist eine prima Sache, allerdings kann sich die zwanghafte Beschäftigung mit der vermeintlich perfekten Lebensmittel-
auswahl in ein ungesundes Gegenteil verkehren: Ende der 90er Jahre prägte ein amerikanischer Arzt den Begriff „Orthorexia nervosa“, die pathologische Fixierung auf gesundes Essen und die optimale Ernährung.
Bildung, Einkommen und Geschlecht spielen eine große Rolle
Die Firma Nestlé – selbst nicht gerade für gesunde Produkte bekannt – veröffentlichte vor kurzem eine 10-Jahres-Studie zum Essverhalten in Deutschland. Demnach legen zwar heute deutlich mehr Menschen Wert auf eine gesunde Ernährung als noch 2008, allerdings vor allem in den mittleren und höheren Einkommens- und sozialen Schichten, während Konsumenten mit niedrigerem gesellschaftlich-wirtschaftlichen Status weniger darauf achten (können) als früher. Unverändert beschäftigen Frauen sich deutlich gründlicher mit dem, was sie zu sich nehmen, als Männer. Außer Aspekten wie Tier- und Umweltfreundlichkeit, fairem Handel und ökologischer Verpackung spielt für sie eine große Rolle, was die Lebensmittel körperlich bewirken. 37 Prozent der Männer und 59 Prozent der Frauen gaben 2018 an, sich (sehr) viel mit ihrer Ernährung zu beschäftigen. Gefragt, welche Ziele sie durchs Essen erreichen möchten, gaben rund 60 Prozent aller Befragten an, fit und gesund bleiben zu wollen, 26 Prozent wollten abnehmen, 24 Prozent Verdauung und Darmgesundheit verbessern und jeweils 16 Prozent Muskeln aufbauen und geistig leistungsfähiger werden. Nur 13 Prozent wollten mit ihrer Art sich zu ernähren „nichts davon“ erreichen.
Wann wird’s bedenklich?
Psychologen beobachten, dass immer mehr Menschen sich über ihren Ernährungsstil definieren und von anderen abgrenzen. Verächtlich schauen dann Veganer auf den fettigen Burger des Nachbarn, wer seinem Kind auf dem Spielplatz einen Softdrink reicht läuft Gefahr, von aufgebrachten Müttern übelst angefeindet zu werden.
Aber wo verläuft die Grenze zwischen begrüßenswert bewusstem Umgang mit unserer Nahrung und einer Essstörung? Die Aachener Suchthilfe empfiehlt eine Beratung, wenn zum Beispiel Lebensmittel in „erlaubt“ und „verboten“ eingeteilt und die Zutaten zwanghaft kontrolliert werden, wenn die Gedanken ständig ums Essen kreisen und die selbstauferlegten Vorschriften die Teilnahme am Alltag und dem sozialen Zusammenleben beeinträchtigen, etwa wenn Restaurantbesuche und Familienfeiern vermieden werden. \ sis
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