62 fortschrittliche Designer präsentieren Lösungen zur Wiederherstellung der Natur und zum umsichtigen Umgang mit ihr in der Zukunft. Unter die Top-Designer mischen sich auch große Firmen-Namen wie Adidas und Michelin, aber auch Projekte aufstrebender Künstler.
Von Kira Wirtz
In wieweit sind die Grenzen unserer Natur dehnbar? Die Ressourcen endlich? Neue Materialien notwendig? In der Ausstellung „Nature“ zeigt das Cube Projekte von renommierten Designern: Spekulative, praktische und vor allem zukunftsweisende.
Eine Ausstellung in New York und eine in Kerkrade – da fragt man sich unweigerlich: Wie passt das zusammen? Für Géne Bertrand, einer der zwei niederländischen Kuratoren, eine einfache Sache der Perspektive. „Mit einem Einzugsgebiet mit etwa einer Stunde Fahrtzeit erreichen wir hier mit einem Sitz mitten in der Euregio sechs bis sieben Millionen Menschen. In Manhatten ist man mit einer Stunde Fahrtzeit nicht mal am anderen Ende der Insel. Sieht man die beiden Museen unter dem Aspekt, sind sie – was die Besucherzahlen angeht – gleichwertige Partner.“ Außerdem ist die aktuelle Ausstellung „Nature“ nicht das erste Projekt, das die beiden Museen miteinander geplant und kuratiert haben. Bereits 2018 lief „Design the World“ äußerst erfolgreich. „Schon damals kamen sogar Designinteressierte aus Amsterdam, um sich die Ausstellung anzusehen. Mit dem Bahnhof direkt vor der Türe, nehmen die Menschen auch eine zweistündige Bahnfahrt gerne in Kauf.“ Und so plante das Team aus drei New Yorker und zwei niederländischen Kuratoren zwei Jahre lang die Ausstellung, die bereits Ende Mai eröffnete und bis in den Januar 2020 andauern wird. „Das ist eine klassische Parallelausstellung. Beide Museen zeigen zu 85 Prozent die gleichen Designobjekte. In der Museumsmeile in New York sind die Exponate allerdings anders angeordnet. Dort werden sie auf Holztischen präsentiert, hier bei uns wollten wir sie aber lieber auf rohem Material zeigen, das auch die Region hier repräsentiert.“ Und so wird jedes der sieben Themenfelder – facilitate, augment, nurture, salvage, remediate, simulate, understand – auf einem passenden Material aus der Region gezeigt, das nach der Ausstellung auch teilweise wieder dorthin zurück gebracht werden kann: Lehm und auch Steine aus der Maasregion, Braunkohle oder Bienenwachs. „Passend zum gesamten Thema wollten wir darauf achten, dass auch dieser Teil der Ausstellung zirkulär bleibt.“ Und als CO2-Ausgleich für den Transport der Exponate wurden Bäume gepflanzt.
„Natürlich ist es schrecklich, wie die Natur vom Menschen vernachlässigt und ihre Ressourcen verschwendet und verwendet wurden. Aber wir wollten zeigen, dass nicht alles negativ ist.“ Die Wissenschaft hat immer neue Ideen, die Designer zeigen, wie diese optisch umgesetzt werden können. Cube und Cooper Hewitt haben für „Nature“ die vielversprechendsten Designs der letzten drei Jahre ausgewählt. Zu sehen sind Arbeiten internationaler Top-Designer wie Neri Oxman, Oron Catts und Mathieu Lehanneur sowie renommierte niederländische Designer wie Klarenbeek & Dros, Atelier NL, Nienke Hoogvliet oder Teresa van Dongen.
Manche der Stücke werden bereits eingesetzt, sprich sie sind funktionär. So wie der „Personal Food Computer“, ein kleiner Kasten, den das MIT Media Lab entwickelt hat, in dem Pflanzen in unterschiedlichem Klima und ohne Sonneneinstrahlung gedeihen können. Mit Hilfe von LED-Licht und ohne die Bedrohung von äußeren Schadstoffen. Genau wie der „Warka Water Tower“, der den Morgenreif in wasserarmen Regionen sammelt und so ein Dorf in Afrika mit Trinkwasser versorgt. Dort war die Natur selbst das Vorbild. Kleine Käfer in der Wüste benutzen dieselbe Technik, um nicht zu verdursten. Nur ist der Wasserturm nicht bloßer Wasserlieferant, sondern auch Umschlagplatz und sozialer Treffpunkt des Dorfes geworden. Diese beiden und noch einige weitere Arbeiten werden im Bereich „facilitate“ ausgestellt. Unter diesem Thema finden sich Projekte, bei denen Designer bereits bestehende natürliche Prozesse benutzen und weiterdenken. Manche verwenden den Anbau, biologischen Abbau und die Regeneration lebender Materialien als Wachstumsförderung für Strukturen und Objekte. Manche arbeiten mit Wissenschaftlern und Ingenieuren zusammen in der Entwicklung von neuen Werkstoffen und Produktionsprozessen auf Basis von biologischem Wachstum.
Im Bereich „augment“ hingegen entwickelten die Designer Werkstoffe, Objekte und Gebäude mit deren Hilfe man die menschliche Existenz, aber auch die Natur verbessern kann. So wie zum Beispiel die amerikanisch-israelische Architektin, Designerin und Professorin am MIT Media Lab, Neri Oxman. Sie hat an einem möglichen Material der Zukunft geforscht, das auf die Umwelt reagiert, geforscht. Mit ihren aus dem 3D-Drucker stammenden Objekten, die aus einem Gemisch aus Krebspanzer und Blättern besteht, nährt sie sich technologisch an die Natur und das zukünftige Leben.
Bahnbrechende Entwicklungen und visionäre Ideen sind in mehreren Räumen ausgestellt, fertige Produkte stehen neben neuen Technologien und spannenden Experimenten. Auf eine komplizierte Beschilderung wurde übrigens verzichtet. Mit einem kostenlosen Audioguide oder einem kleinen Ausstellungsbuch in englisch, deutsch oder niederländisch wird man intelligent von einem Exponat zum nächsten geführt. Fast als würde Kurator Géne Bertrand persönlich durch die Ausstellung begleiten. Noch ein Schritt Richtung Zukunft. \
Neben bei
Katalog
„Nature: Collaborations in Design“
Erhältlich im Museumsshop: der Nature Katalog. Das Buch enthält alle Projekte der Ausstellung in Text und Bild: In sieben Aufsätzen, die zu jedem der sieben Themen (facilitate, augment, nurture, salvage, remediate, simulate & understand nature) passen, wird die Herangehensweise der Designer auf 240 Seiten in Englisch erklärt.
IMPACT!-Programm
Neben der Ausstellung präsentiert das Cube das IMPACT!-Programm mit verschiedenen Aktivitäten, in denen das Thema der Ausstellung näher beleuchtet wird. In Zusammenarbeit mit den beteiligten niederländischen Designern werden Vorträge und Workshops organisiert, bei denen die Kombination von Natur, Technologie und Design im Mittelpunkt steht. \
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