Presslufthämmer. Stahlplatten. Bohrmaschinen. Stacheldraht. Bei den Einstürzenden Neubauten kann alles zum Instrument werden. Ihr neuestes Werk ist ein Konzeptalbum zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Olaf Neumann traf in Berlin auf Blixa Bargeld.
Blixa Bargeld, wie haben Sie das Album „Lament“ konzipiert?
Zuerst einmal ist es eine Auftragsarbeit. Wir sind gefragt worden von der Region Flandern, ob wir eine Performance entwickeln und dort im November 2014 zur Uraufführung bringen könnten. Das Album ist die flach gepresste Variante dieses Bühnenwerks. Da das Thema von vornherein klar war, griffen wir auf unseren Erfahrungsschatz zurück.
Wie sind Sie bei den Recherchen zu diesem vielschichtigen Thema vorgegangen?
Ich hatte zwei wissenschaftliche Mitarbeiter, einen Historiker und eine Literaturwissenschaftlerin. Sie sollten mir helfen, Dinge zu finden, die noch nicht platt getrampelt sind und genug musikalisches Potenzial tragen, damit wir uns in irgendeiner Form damit auseinandersetzen können. Die Platte ist das Ergebnis davon.
Gibt es Aspekte, mit denen Sie besonders gekämpft haben?
Nee. Ich habe ein paar Sachen gefunden, die nicht so bekannt sind. Es gibt Walzenaufnahmen von Kriegsgefangenen in deutschen Lagern, die aus wissenschaftlichen Gründen gemacht wurden. Diese Kriegsgefangenen mussten unter Zwang das Gleichnis vom verlorenen Sohn rezitieren. Der Zufall wollte es, dass ein flämischer Renaissancekomponist in unserer Auftraggeberstadt Diksmuide begraben liegt. Er hat eine achtstimmige Mottete geschrieben, die ebenfalls „Das Gleichnis vom verlorenen Sohn“ heißt. Diese beiden Dinge habe ich zusammengeführt.
Kann man den Schrecken des Krieges, das verwüstete Land, die Leiden und die Verstümmelten überhaupt in Klängen festhalten?
Ich will ihn gar nicht in Klängen festhalten, ich will ihn auch nicht darstellen. Ich will eigentlich nur etwas in die Welt setzen, was hörbar ist. Und dieses Hörbare wird auch noch durch Worte so angereichert, dass man hoffentlich meint, in der Verbindung zwischen diesen beiden Medien einen tieferen Sinn zu erkennen. Das Ganze sollte ohne deliziöses Getöse daherkommen. Es gibt einen schönen Satz von Tom Waits: „You have to tell a horrible story beautiful“. Es geht mir darum, selbst in den morbidesten Momenten noch Schönheit zu wahren.
Gab es bei dieser Arbeit auch einen Link zu Ihrer eigenen Familiengeschichte?
Null. Meine Großväter waren beide schon tot, als ich geboren wurde. Auch von den anderen Mitgliedern der Band kam keiner mit irgendwelchen persönlichen Geschichten aus dem Ersten Weltkrieg an. \