Feines Masala
Von einer Jugend in den Slums von Mumbai
Jamal Malik (Dev Patel), aufgewachsen in den Slums von Mumbai und inzwischen Teejunge in einem Call-Center, sitzt als Kandidat in der indischen Variante der global erfolgreichen TV-Show „Wer wird Millionär?“. Vom eitlen Showmaster Kumar Prem (Anil Kapoor) abschätzig als trauriger Fall von Selbstüberschätzung behandelt, schafft es Jamal bis zur großen 20 Millionen Rupien-Frage. Als die abgelaufene Sendezeit eine Vertagung der letzten Frage nötig macht, bezichtigt Prem den jungen Mann des Betrugs und liefert ihn nicht eben zimperlich agierenden Polizeihänden aus. Eine Nacht lang spürt ein Polizeiinspektor (Irrfan Khan) Frage für Frage den Antworten des bildungsfern herangewachsenen „Slumdogs“ nach. Themengebiet Kino? Für ein Autogramm seines Bollywood-Helden schreckte der kleine Junge nicht vor einem Sprung in die Fäkalien-Grube zurück. Religion? Entsprechend motivierte Übergriffe machten ihn früh zum Waisen- und folglich Straßenkind. Im Wechsel mit Fernsehstudio- und Verhörszenen erzählt „Slumdog Millionär“ die Lebensgeschichte Jamals, in der die Antworten auf alle (Quiz-)Fragen zu finden sind.
Regisseur Danny Boyle („Trainspotting“, „28 Days Later“) begibt sich für sein Bollywood-Hollywood-Sozialkritik-Masala mitten hinein in ein farbenprächtiges Indien, filmt überquellende Straßenzüge und touristische Hotspots der Stadt ebenso wie schier endlose Müllberge und schmierige Kloaken. Aufgrund ihres enormen Beitrags vor Ort ernannte er seine indische Casting-Agentin Loveleen Tandan auch prompt zur Co-Regisseurin. Wie Fernando Meirelles’ „City of God“ schildert „Slumdog Millionär“ visuell überwältigend das Heranwachsen in den Slums einer explosionsartig wachsenden Großstadt. Jamal allerdings bleibt trotz aller Entbehrungen, Schikanen und Tragödien bis zum Ende redlich und treu, seiner Kindheitsliebe Latika (Freida Pinto) verpflichtet.
Für Danny Boyle ist Jamals Lebens- und Liebesgeschichte „ein moderner Oliver Twist“, eine zu Herzen gehende Waisengeschichte, die überdies von einem Brüderkonflikt und schicksalhafter Bestimmung erzählt. Basierend auf dem Roman „Rupien! Rupien!“ von Vikas Swarup inszenierte er ein bildgewaltiges und mit Filmpreisen überhäuftes Märchen, das auf unvergessliche Weise bittere Wahrheiten des modernen Indiens auf die Leinwand bannt und daraus dennoch Wohlfühlkino zaubert, ohne den Stoff zu verraten.
Bewertung der redaktion
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