Von Martin Schwickert
Eigentlich war Alan Turing der erste Hacker. Während des Zweiten Weltkrieges knackte der britische Kryptologe die Chiffriermaschine „Enigma“ der Nazis und trug damit entscheidend zu einer Verkürzung des Krieges bei.
Seine Ideen legten die Grundlagen für das Konzept künstlicher Intelligenz, das heute unseren digitalen Alltag bestimmt. Und warum ist dieser Mann nicht ebenso bekannt wie Steve Jobs? Zum einen hielt der britische Geheimdienst das Wirken des begnadeten Informatikers lange unter Verschluss.
Filmisch neu aufgerollt
Zum anderen war Turing schwul und das galt im Vereinigten Königreich der 50er als kriminelles Vergehen. 1952 verurteilte ein Gericht ihn zu einer Hormonbehandlung. Ein Jahr später beging Turing Selbstmord.
Die Biografie eines solch tragischen Helden ruft geradezu nach einer filmischen Aufarbeitung und der norwegische Regisseur Morten Tyldum („Headhunters“) bekam den Auftrag, den „Fall Turing“ für das Kino neu aufzurollen.
Verhör mit Rückblenden
Als Rahmenhandlung dient das Verhör, in dem Turing nach seiner Festnahme einem Londoner Kommissar Rede und Antwort steht. Aus dem Polizeirevier blendet der Film zurück auf zwei verschiedene Zeitebenen.
Zum einen in die Kindheit, in der Alan als Stotterer immer ein Außenseiter bleibt, bis er in Jugendjahren auf dem Internat seine homosexuelle Neigung entdeckt. Zum anderen in die Zeit des Zweiten Weltkrieges, wo Turing mit einer Gruppe von Schachspielern, Mathematikern und Kryptoanalytikern den Code der „Enigma“ zu knacken versucht.
Spröder Charme
Der junge Wissenschaftler beweist sich als vollkommen teamunfähig, glaubt aber fest an seine Idee, dass nur eine intelligente Maschine die „Enigma“ besiegen kann.
„The Imitation Game“ verbindet Elemente klassischer Spionagethriller mit dem Porträt eines eigenwilligen Wissenschaftlers. Benedict Cumberbatch („Sherlock“) interpretiert ihn mit seiner typischen Mischung aus kühler Analyse und starker Empathie. Sein Alan Turing wird nicht zum Sympathieträger weichgespült, auch wenn die Figur ihren eigenen spröden Charme entwickelt.
Das Ende: zu knapp
Aber auch für „The Imitation Game“ gilt die eherne Hollywood-Regel: Je unkonventioneller der Held, desto konventioneller die filmische Form. Deutlich zu knapp wird Turings letzte Lebensphase verhandelt, wodurch die eigentliche Tragik und der zeitgeschichtliche Skandal nur angerissen werden.
Das Publikum wäre dem interessanten Hauptcharakter sicher auch in die weniger komfortablen Zonen seiner Biografie gefolgt.\
Bewertung der redaktion
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