Die Vater-Tochter-Formel
Schauspiel von David Auburn
Catherine (Karen Lauenstein), die Tochter des kürzlich verstorbenen Mathematikgenies Robert (alle verwirrten Mathematiker in sich vereinend Jens Eisenbeiser), lässt sich gehen. Die letzten fünf Jahre hat sie mit der Pflege ihres verwirrten Vaters verbracht. Sie gab ihr Studium und alle sozialen Kontakte auf, nach dem Tod des Vaters steht sie hilflos da. Da sind lediglich Hal (Adrian Moll), ein ehemaliger Student ihres Vaters, der die Notizbücher des Mentors auswertet, und ihre Halbschwester Claire (energisch Patricia Rabs). Catherine und Claire könnten nicht grundverschiedener sein. Claire ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die ihr Leben streng durchgeplant hat, Catherine ähnelt ihrem Vater. Ebenfalls mit mathematischem Genie gesegnet, aber mit dem gleichen Hang zur Labilität. Als Hal in den Notizen einen grundlegenden Beweis über Primzahlen entdeckt, behauptet Catherine, dass dieser von ihr stammt. Doch kann Catherine, die noch nicht einmal dazu imstande ist, für sich einzukaufen, einen solchen Beweis überhaupt geführt haben? Für Auburn der Ausgangspunkt mit detektivischem Geschick ein Verwirrspiel aus Genie, Wahnsinn und emotionalen Abhängigkeiten zu dekonstruieren.
Immer wieder unterbricht die Handlung und Catherine blickt in Gedanken zurück. Zurück zu dem Zeitpunkt, als ihr Vater noch lebte und sie sich um ihn kümmerte. Zu Beginn von David Auburns Stück „Der Beweis“ hat sie Geburtstag; es ist gleichzeitig der Tag der Beerdigung ihres Vaters. Was auf den ersten Eindruck hin wie ein makaberer Scherz erscheint, ist ein geschickter Hinweis auf die Beziehung zwischen Catherine und ihrem Vater. Uneingeschränkte Hingabe — sowohl an den anderen, als auch an die Mathematik. Es ist Karen Lauenstein, die in ihrer Rolle als labile junge Frau die Bühne dominiert. Lethargisch suhlt sie sich im Schmerz über den Verlust des Vaters, verliebt gibt sie sich Hal hin und resignierend droht sie an Selbstzweifel zu vergehen.
Dem Zuschauer werden dabei schnell die Abhängigkeiten bewusst, in denen Vater und Tochter gelebt haben. Genau in diesen Momenten wird deutlich, dass „Der Beweis“ nur vordergründig ein Stück über Mathematik ist. Es führt vielmehr vor Augen, wie Kinder sich bei der Pflege ihrer Eltern selbst verausgaben. Es zeigt die Differenzen die entstehen, wenn diese nach dem Tod der Angehörigen den Nachlass auflösen müssen.
Das DAS DA Theater bringt in seiner Jubiläumsspielzeit ein ausgezeichnetes Stück zu einem der wichtigsten Themen unserer heutigen Zeit in einer souveränen Inszenierung auf die Bühne. Das Kalkül eines mathematischen Genies wäre vielen während familiärer Konflikte zu wünschen und auch wenn sich die Mathematik und die Musik näher sind, als mancher denken mag, muss eine poetische Auflösung wie in der Schlusseinstellung doch Utopie bleiben.
Foto: Wilfried Schumacher
Termine:
bis 20.4., Fr/Sa/So, jeweils 20.30 Uhr (außer 21.3. - 30.3.), DAS DA Theater
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