„Ich bin das nicht, das bin nicht ich.“ — Danny war in Basra als Soldat und ist jetzt zurückgekommen, in eine kleine Stadt in Südengland. „Motortown“ zeigt einen Ausschnitt aus dem Leben des heimgekehrten Danny, Simon Stephens schrieb das Stück 2006; basierend auf der wahren Geschichte eines britischen Soldaten und auf dem Schicksal zahlloser Soldaten, die wie Danny das im Krieg Erlebte nicht verarbeitet haben.
Bläuliches Licht, eine imposante Rampe schiebt sich langsam und leise von der Bühne aus den Zuschauern entgegen (Bühnenbild: Oliver Brendel), ganz nah bis an die erste Reihe heran. Die Silhouetten zweier Menschen, schon der erste Aufzug strahlt Bedrohung aus. Dazu Musik wie von einem japanischen Computerspiel.
Szene eins: Danny (Florian Schmidt-Gahlen) ist erstmal bei seinem behinderten Bruder Lee (Oleg Zhukov) eingezogen. Danny zuckt mit den mächtigen Händen, versteckt sie schnell in den weiten Ärmeln seiner schwarzen Kapuzenjacke, als Lee die Nervosität bemerkt. Lee kann nicht wirklich fragen, wie es Danny geht, und Danny kann nicht wirklich antworten. Ohnmächtig stehen beide Brüder der Situation gegenüber. Statt Redebereitschaft schlägt Danny ein Alltag aus Choco Pops zum Frühstück und Mittagessen auf Rädern entgegen. Lees Fragen zum Krieg ähneln einem „Wie geht’s?“, auf das ein „Gut!“ die einzig mögliche Antwort ist.
Schmidt-Gahlen ist breitschultrig, stiernackig durch die kurzrasierten Haare und guckt oft grimmig: Seine Figur verströmt Gefahr. Danny ist unberechenbar, aber kein böser Mensch. Authentisch vollzieht Schmidt-Gahlen die Wechsel von einem, der zu jeder Gewalt fähig scheint, zu einem, der schluchzend ein offenes Ohr sucht. Danny flößt Angst ein, Schmidt-Gahlen erspielt seiner Figur gleichermaßen Sympathie.
Danny trifft Kifferfreund Tom (Thomas Hamm), den es, immerfort kichernd, amüsiert, dass Danny nicht die neuesten R’n’B-Alben, nicht einmal einen Ipod besitzt. In den nächsten Szenen inszeniert Regisseurin Ewa Teilmans zahlreiche Facetten menschlicher Ignoranz, und lässt Danny sie alle durchlaufen, wie die Level eines Computerspiels, „BangBang“ und „This is not a love song“ als Musik zum Spiel. Karsten Meyer ist der langhaarige Paul, der über die ökologischen Katastrophen der Welt sinniert, mit Muff um die Schultern und minderjähriger Freundin auf dem Schoß. Dannys Ex verwehrt ihm den Kontakt. In der Lobby eines Hotels will ein Ehepaar den gut gebauten Danny zu einem Sexabenteuer zu Dritt überreden. Für die beiden ist es völlig unerheblich, ob Danny seine Muskeln nun aus dem Fitness-Studio oder aus dem Krieg hat. „Trainierst du?“ Hier schlägt Danny die ganze Dekadenz entgegen, die ihn anwidert; für solche Menschen in Basra gewesen zu sein, frustriert ihn.
Die Tragik gipfelt in einem Ausflug, zu dem Danny Jade überredet. Jade ist das naive kleine Püppchen, der Spielball Dannys Verzweiflung, der er körperlich völlig überlegen ist. Er erzählt und erzählt, erniedrigt und demütigt Jade, die zunächst aus Desinteresse, später aus purer Todesangst schweigt. Stefanie Dischinger überträgt Jades Angst direkt ins Publikum. Sie zittert, ihre Mimik zeigt nichts als Furcht vor den unberechenbaren Handlungen Dannys. Jade überlebt den Ausflug nicht.
Was bleibt, ist Bestürzung: nicht über den grausamen Mörder Danny, sondern über das was ihn dazu gemacht hat. Reden hätte geholfen. Hätte nur einer reden wollen.
Der Premierenapplaus ebbte nicht ab, besonders für einen grandiosen Danny. Ein Stück, das die ausführlichen Vorbesprechungen und die Themenwoche „Nach dem Krieg“ verdient hat. /// Barbara Taxhet
Termine:
7. und 11.2., 19.30 Uhr, 15.2., 18 Uhr, 18. und 27.2., 20 Uhr
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