Von Kira Wirtz
Nebelschwaden ziehen über den schwarzen Boden, in weiter Ferne blinkt eine Polizeisirene. Es ist düster. Hinter und auf einer Mauer hocken ein paar Jungs und Mädels, die nur darauf warten, Streit anzufangen: Bandenkrieg unter Jugendlichen in der New Yorker West Side.
Hier kämpfen die amerikanischen Jets und die puertoricanischen Sharks um die Vorherrschaft auf der Straße. Die Jets, großmäulige Jungs in Sneakern, Jeans und Hoodies, warten nur darauf, sich mit den Sharks, kein bisschen weniger großmäulig, schöner gekleidet oder mit besseren Manieren, zu schlagen. Deshalb wird geprollt, gedroht, geschubst und gepöbelt, mit Klappmessern gespielt, was das Zeug hält.
Allen voran die jeweiligen Anführer der Gangs.
Die Anführer
Bei den Jets ist das Riff (Benjamin Werth), für den die Erfüllung seines perspektivlosen Lebens die Gang ist. „Wenn du ein Jet bist, dann hast du’s gepackt! Dann weißt du, wo du hingehörst!“
Nicht minder von seinem Team überzeugt, ist der Anführer der Sharks, Bernardo (Philipp Manuel Rothkopf), der seine Gang mit Schnippen in seine Schranken weißt und „Von der Wiege bis zum Sarg“ ein Shark bleiben will.
Inmitten dieser feindseligen Atmosphäre entwickelt sich per Zufall auf einer Party, bei der die Gruppen aufeinandertreffen, die Liebe zwischen dem Amerikaner Tony und der Puertoricanerin Maria. Maria – neu in NYC und die Schwester von Shark-Boss Bernardo – hat kein Verständnis für die Machtkämpfe zwischen den Gruppen und möchte mit Tony einen verabredeten Kampf verhindern. Doch es kommt, wie es kommen musste: Tony wird in einen Zweikampf hineingezogen und ersticht im Affekt Marias Bruder Bernardo.
Tanz und Musik
Frei nach Romeo und Julia wurde West Side Story zu einem der bekanntesten US-amerikanischen Musicals. Und genau mit diesem hat das Theater Aachen die neue Spielzeit im großen Haus eröffnet. Aus 300 Tänzern wurden für die Produktion 20 auscastet, die die rivalisierenden Jugendgangs darstellen. In den Hauptrollen mischen sich die Mitglieder des Opern- und Schauspielensembles. Musikalisch begleitet werden -Sänger, Tänzer und Schauspieler vom Sinfonieorchester des Theaters.Bereits die Vorlage kombinierte verschiedenste Musikelemente miteinander: den Jazz, die Oper und Popsongs.
Das Theater Aachen wagt mit seiner Produktion nicht nur musikalisch einen riskanten Spagat zwischen Musical, Schauspiel und Oper. Zum Glück: Das Sängerensemble macht aus den bekannten Musical-Schmalzetten wahre Opernarien. Und zeigt sich der ein oder andere Besucher an mancher Stelle erst noch verwundert, lassen sich die Bravo-rufe nach den einzelnen Gesangseinlagen nicht länger zurückhalten. Nicht zuletzt das Orchester trägt mit seinem präzisen Mix aus Klassik, Jazz und Pop einen großen Teil zum Erfolg bei.
Begeisterung beim Premierenpublikum
Rund drei Stunden lieben, hassen, schlagen und vertragen sich, singen, verharren, tanzen oder skaten die rund 40 Darsteller über die von Oliver Brendel gestaltete Bühne. Als am Ende der Schuss einer Pistole aus dem schönen Märchen um Tony und Maria ein Drama werden lässt, geht ein Raunen durch die Menge. Vor Schreck? Oder weil das das Ende dieser ungewöhnlichen Produktion andeutete?
Vermutlich letzteres, bedenkt man, dass das Premierenpublikum mit dem Applaus gar nicht mehr aufhören wollte und Ewa Teilmans mit dem Verbeugen kaum hinterher kam.\
1., 5. (15 Uhr), 9., 11., 18. + 25.10.
„West Side Story“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
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