Obwohl zwischen den Entstehungen der beiden Romanvorlagen 76 Jahre liegen, eint die beiden Hauptpersonen Gilgi und MC Doris doch einiges. Beide leben in der urbanen Welt. Beide kritisieren die gesellschaftlichen Zustände, in denen sie leben. Beide müssen sich ihren Weg suchen, den Verlockungen und dem Dreck der urbanen Welt widerstehen.
Zwei junge Frauen in den Wirren der urbanen Welt
Erst folgt man Gilgi ins Köln der 1920er Jahre. Sie arbeitet als Sekretärin, lässt sich von ihren Eltern bevormunden. Zufrieden ist sie nicht, doch Aussicht auf Rettung gibt es auch nicht. Sie hat so wenig zu geben, da darf sie auch nichts nehmen. Hübsch fest auf dem Boden stehen bleiben, nicht wackeln. Als sie ihren Job kündigt, mit einem Mann zusammenlebt und schwanger wird, muss sie sich bewegen. Und selbstständig und unabhängig leben.
MC Doris, frustriert vom Leben, kritisiert in Liedform die Medienszene Warschaus. Inhaltlich ist das Leben des Schlagerstars Stanislaw Retro Thema. Das weibliche Publikum liegt ihm zwar noch zu Füßen, aber sein Ansehen bröckelt. Ganz oben ist er gewesen, jetzt ganz unten angekommen. „Ich bin neunzehn und brauche keine Persönlichkeit, denn ich habe Charakter“, rappt MC Doris dazu und setzt sich im rasenden Rhythmus mit der Medien- und Konsumwelt auseinander.
Grandios
Emilia Rosa de Fries (spielt Gilgi und MC Doris) liefert eine beachtenswerte Darstellung zweier sich ähnelnder und doch ganz verschiedener Frauentypen urbaner Welten ab. Beachtenswert besonders die schon beim Zuhören anspruchsvollen Endlosmonologe in Rapform im zweiten Teil. Katja Zinsmeister brilliert mit unendlicher Wandlungskunst. Derb als Gilgis Mutter, verführerisch als ihr Liebhaber. Seriös als Radioansagerin, verschroben als desillusionierter Schlagerstar. \ cr
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