Interview: Christina Rinkens
Lutz Hübners „Gretchen 89 ff.“ lässt den Zuschauer hinter die Kulisse des Theaterbetriebs schauen. Das Zwei-Personen-Stück ist eine Aneinanderreihung von Probenszenen – denn geprobt wird immer wieder die „Kästchenszene“ aus Goethes „Faust I“. Im Reclamheft auf Seite 89 – und die folgenden Seiten. Trotz nur zweier Schauspieler werden dennoch mehrere Charaktere dargestellt. Wie das funktioniert und wie Stücke fliegen lernen, erzählt Regisseurin Maren Dupont im Interview.
Frau Dupont, warum „Gretchen 89 ff.“?
Lutz Hübner gewährt den Zuschauern mit „Gretchen 89 ff.“ einen wunderbaren Blick hinter die Kulissen des Theaterbetriebs. Allerdings ohne dabei zu sehr auf Insiderwissen zu setzen, das nur Personen verstehen würden, die selbst im Theater arbeiten. Auch der normale Zuschauer kann den Witz und die Ironie dieser Liebeserklärung an das Theater verstehen. Das finde ich sehr spannend.
Wie genau läuft das Stück ab, gibt es eine konkrete Handlung?
Es gibt zehn Szenen, die aufeinander folgen. Das Besondere: Es wird immer die selbe Szene aus Goethes „Faust I“ geprobt. Gezeigt wird die berühmte „Kästchenszene“, in der Gretchen eine Schatulle voller Schmuck findet, mit dem Faust die Angebetete erobern will. Man kann es also als Versuchsanordnung verstehen. Und jedes Mal wird die Probensituation mit unterschiedlichen Regie- und Schauspielertypen auf die Bühne gebracht.
Dabei gibt es aber nur zwei Darsteller?
Richtig. Das Stück ist für zwei Personen geschrieben. Diese beiden Darsteller übernehmen in jeder Szene die verschiedenen Rollen. Da trifft zum Beispiel ein altgedienter Regisseur auf die hochmotivierte Schauspiel-Anfängerin oder der Regieanfänger auf die Diva-Schauspielerin, die erwartet, dass alle ihr zuarbeiten, damit sie ihr Talent entfalten kann. Das sind sehr spannende und vor allem lustige Konstellationen.
Wie aber unterscheidet der Zuschauer bei nur zwei Darstellern, wer gerade welche Rolle spielt?
Zwischen den Szenen gibt es Ansagetexte, die zur nächsten Probensituation überleiten. Beispielsweise: „Wir beide zeigen Ihnen nun, wie …“ Das macht das ganze Stück sehr charmant und erzeugt einen natürlichen Flow, indem sich die beiden Darsteller immer wieder die Bälle zuspielen. Dabei arbeiten wir nicht mit großen Kostümwechseln, sondern mit kleinen optischen Signalen, die die unterschiedlichen Figuren charakterisieren.
Beide Darsteller sind externe Gäste?
Christine Schaller und Frank Siebenschuh haben sich bei uns beworben. Beim Vorsprechen haben wir dann gesehen, wie wandelbar die beiden sind. Christine und Frank haben ein großes komödiantisches Talent und bieten mir in der Probenarbeit immer wieder sehr schräge und lustige Dinge an.
Sowohl das aktuelle Stück „Linie 1“, als auch die letzte Inszenierung auf der Burg Frankenberg „Viel Lärm um nicht“, setzen beziehungsweise setzten sehr stark auf Musiknummern. Jetzt bewusst nicht?
Man hätte das Stück in die Richtung umschreiben können, aber ich habe mich dagegen entschieden, weil das Stück in sich einfach perfekt funktioniert und rund ist. Da bedarf es keiner Gesangseinlagen der beiden Schauspieler, es „fliegt“ auch so.
Warum startet das Stück zu verschiedenen Uhrzeiten?
Dienstags bis donnerstags beginnen wir schon um 20 Uhr, um dem häufig geäußerten Wunsch vieler Besucher entgegenzukommen, denen unsere Open-Air-Stücke unter der Woche einfach zu spät endeten. Die Wochenendvorstellungen werden weiterhin um 21 Uhr starten.
Zusammenfassende Worte für das Stück?
Es ist ein typischer Hübner-Text, mit extrem viel Sprachwitz, viel Gespür für Timing und vielen Freiheiten für die Inszenierung. Die Zuschauer werden eine originelle, witzige und besondere Komödie sehen. Es werden 90 charmante Minuten! \
20.6.-4.8.
„Gretchen 89 ff.“
Di-Do 20 Uhr, Fr-Sa 21 Uhr,
Burg Frankenberg
dasda.de
Burgspiele
Die Burg Frankenberg hat sich als Sommerspielstätte des Das Da Theater etabliert. Seit 1991 spielt das Privattheater hier jährlich ein Open Air-Stück im Innenhof der Burg. Die Zuschauerplätze werden dabei so platziert, dass durch die Einbindung des Burgturms das optimale Burg-Feeling entsteht. Das Bühnenbild der Stücke wird immer angepasst, für das Stück 2019, „Gretchen 89 ff.“, wird es ein sehr reduziertes und artifizielles sein. So entsteht die rudimentäre Illusion eines Hauses, in dem die Szenen gespielt werden. Minimalismus in imposanter Kulisse. \
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