Von Dirk Tölke
Bildbestickte Vorhänge zieren das IKOB nicht etwa, sondern belegen in zarter Verschachtelung seine Räume und machen die Betrachtung dünnhäutig.
Weder Raumteiler, noch Bild schweben sie umgehbar vor der Wand, bilden hängende Barrieren oder einen containergroßen Raumabschnitt, der dieses Transportmittel globalisierter Waren dezent deutlich macht und doch auch fadenscheinig erscheinen lässt.
In textileigener Patchworkcollage sind farblich abgewogene, meist gebrauchte Stoffe zu Flächen vernäht, die als leinwandnahe Bildgründe dienen, allerdings für reliefhaft überlagerte Stickereien, die Pressefotos wiedergeben und gerne mal das Lieblingstier der Künstlerin, die Eule.
Mit Bildinseln bestückt
Die Grenze, die Schwelle, die Rückseitigkeit wird mit diesen durchlichteten Stoffen bei der Betrachtung als durchschimmernder Hintergrund mitthematisiert, denn sie schweben knapp über dem Boden und man muss für die kleinen Bildfelder und zarten Linien nahe herantreten.
Ein durch Umgehung in seiner Raumgröße erfassbarer Stoffcontainer ist mit Bildinseln bestückt, die neben Schemata der Berechenbarkeit unberechenbare Flüchtlingsschicksale von Boatpeoplen zeigen, Menschen, die Veränderung suchen, Grenzen überwinden wollen und aus Schwellenländern kommend an Schwellen scheitern.
Chinesische Baugrube, amerikanische Straße
Das Grenzwertige und Katastrophale findet sich auf den willfährig einkomponierten Bildfeldern, zwingt bisweilen zum in die Knie gehen.
Die chinesische Familie, die ein Baugrundstück nicht abgeben wollte und nun auf einer Erdnadel in einer riesigen Baugrube wohnt oder amerikanische Straßen, deren durch marode Kanäle unterspülter Untergrund in plötzlich auftretenden Löchern einbricht und Autos verschluckt, wovon eine Bildsequenz Zeugnis ablegt, die mit Mitteln des T-shirt-Drucks, Stickbildes und kitschbelasteter Perlenstickerei arbeitet.
In die heimische Welt gespült
Auf gebrauchten Dreiermatratzenstapeln („Umzug“) findet sich die Gegenüberstellung eines europäischen Modells des Beharrens, ein Haus direkt unter einem Hochautobahnkreuz und die mobile amerikanische Lösung, ein rollend transportiertes Haus, das an einer Brücke vom Sattelschlepper geschoben wurde, aus Kostengründen auf dem Highway einfach stehen zu lassen.
Die Presse spült solche Bilder in die heimische Welt. Grenzerfahrungen, bizarre Realitätssplitter, anderer Alltag. Ein Stadtplan von Berlin ist in gestickten Bildkürzeln, quasi Stichbildern statt Stichworten, angefüllt mit persönlichen Erfahrungsstätten, von der Künstlerin geschätzter Architektur, ihrem Atelier und Erlebnisorten.
Weitgereiste Künstlerin
Ein Ortstagebuch. Niemand kennt alle Straßen seiner Stadt, sondern jeder baut sich sein persönliches Stadtbild zusammen. Räume und Behausungen sind ansonsten auch das Thema der weitgereisten Isa Melsheimers, die keineswegs nur immer noch dem Vorurteil weiblichen Kunsthandwerks unterworfene Textilarbeiten macht, sondern ebenso mit massiven Betonplastiken und vielteiligen Installationen arbeitet.
Im IKOB wird massiv, aber mit leichter Hand die Schwellenangstphobie und die inselhafte Wirklichkeitserfahrung behandelt. Die letzte Ausstellung des diesjährigen Zyklusses „Fata Morgana“. Raumbindend.\
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