Von Dirk Tölke
Bekannt wurde der noch parallel als Mediziner tätige Antonio Máro 1978 durch den Auftrag für das 6x18 Meter große Ölbild in der Stadthalle von Meinerzhagen. Abstrakte Flächen mit leicht präkolumbischer Anmutung finden sich hier, die sonst radikal abstrakt sind. Der seit 1981 in Hauset lebende, international agierende Musiker, Maler und Bildhauer Antonio Máro Ramirez, wurde mit Ehrungen überhäuft, behält aber kunsthistorisch eine individualistische Außenseiterposition.
Antonio Máro verbindet eine abstrakte Position mit Metallfarbenlicht und prozesshafter Moderne aus dem Geist des Informel. Bis heute findet er formale Abwechslung in den Linien und Flächenbildungen seiner vobildlosen Farbklang-Malerei ohne jede Geometrielastigkeit. Sein Komponieren wird eher von musikalischem Denken bestimmt.
Von seinem Stuttgarter Akademielehrer Willi Baumeister wurde er in den 1950ern angeregt zur Ausrichtung auf individuelle Authentizität des Bildes, beeinflusst von dessen Buch „Das Unbekannte in der Kunst“ und dessen Lehre zu Fragen des Schöpfungsprozesses, der Zufallsnutzung und unbewußter Impulse. Dazu kamen die gegenstandslosen Tendenzen des Informels sowie die farbigen Holzschnitte Hap Grieshabers.
Antonio Máro gehört zu den wenigen südamerikanischen Künstlern, die das Narrative und realistisch politische Inhalte aus ihrem Werk getilgt haben. Indiokultur und spanisch-katholisches Kolonialerbe barocker Färbung finden keinen direkten Niederschlag. Weniger Spiritualität als Sinnlichkeit und elementares Naturerleben prägt seinen materialbezogenen Umgang mit chromatischen gegenstandslosen Überlagerungscollagen, die in intuitiven Wechselwirkungen aus Formkeimen, Hinzufügungen und Abtragungen in Zusammenarbeit mit seinem Sohn Raffael Ramirez-Máro entstehen, der seit seiner Kindheit helfend und mitgestaltend in den Schaffensprozess eingebunden ist.
Ein wiederkehrendes figurnahes Merkmal sind an den Torso angelehnte Zeichnungen gesichtslos überlängter Akt-Rudimente. Insbesondere fällt die Nutzung schimmernder Metallfarben und in letzter Zeit glänzender Lacke ins Auge, die irisierende Raumferne und dynamischen Glanz einbringen.
Seine exotismusfreien Bilder sind ab 1949 zunächst chillidahaft verschränkt, seit den 1980ern verstärkt von tektonischen Schichtungen und Spalten gekennzeichnet. Derlei Rupturen, Risse, Schluchten und Furchen vereinen fließende Bewegungsspuren und geborstene Konturen, weisen Impulskraft und kratzende Eingriffe von sichtbarer Heftigkeit auf. Hier mag unbeeinflußt von europäischer Geschichte und existenzialistischem Empfinden der Nachkriegszeit die ungebrochene Vitalität und die peruanische Lichterfahrung metallisch gleißender Sonnenglut und langgestreckter Schattenkeile meeresnaher Wüsten wirksam geworden sein.
Nicht Farbsymbolik, sondern materielle Sinnlichkeit bestimmen die Chromatik der experimentell störrischen, mit Vorliebe in achsialen Verschiebungen und Flächenunwuchten komponierenden, aber skizzenhaft angelegten und formal unbändig freien kombinatorischen Bildflächen. Contraplanos nennt er diese Kontrastbildungen.
Licht- und Schattenwirkungen, metallische Lichtkeile, weißgehöhte Verklammerungen, tektonische Riegel, irreal entrückte Raumtiefen, gitterartige Farbverläufe mit Tropfspurendetails und Schichtenüberlagerungen verraten in ihrer mangelnden Abbildlichkeit ihr pures Dasein als impulsive Malerei. Freier Impuls und von traditionellen Bezügen abgelöste Intellektualität musikalisch harmonischer Komposition lassen gegensätzlich gerichtete Formkräfte interagieren (schwarz – weiß, oben – unten, Flächendichte – Brüchigkeit).
Es bleiben nur zage Hinweise auf Verletzlichkeit oder gezügelte Unruhe schriller Qualität. Diese Bildräume bergen mehr feierliche Stille und nicht ganz schmerzfreie Fülle einer vitalen Wirkkraft als schwerblütige Zerrissenheit und Leidensgestus. Die Bilder sind analytisch komponierte, konkreter Hinweise bare Sinnbild-Malerei, die Würde und Bedrohung der Natur mitschwingen lässt, aber als intuitiv errungene Formwelt ohne Vorbild vor allem eine Vorlage für unbekannte Empfindungen werden.
Eine kleine Serie zum Thema Meer bildet in silhouettenhafter Einbindung von Krabben und Fischen in fremdgrünen Bildgrund eine figurative Ausnahme. Ein kultivierter Freigeist zieht da stetig seine Kreise ohne schematisch zu werden. \
bis 16.11.
„ARTIBUS“ – Jubiläumsausstellung
90 Jahre Antonio Máro
Burggalerie, Stolberg
Website ARTIBUS Burggalerie Stolberg
Website Ramírez Máro Institut
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