Als er 14 war geriet die Welt von Nils Trinks durch einen Schicksalsschlag in der Familie aus den Fugen, ebenso wie seine Schullaufbahn. Dass später aus dem Bankkaufmann ein Tätowierer werden würde, hätte er selbst nicht zu träumen gewagt.
Nils Trinks ist übernächtigt, der 31-Jährige ist vor wenigen Monaten Vater geworden. „Heute Nacht waren es drei Stunden Schlaf,“ entschuldigt er sich. Als Jugendlicher erlebten er und seine Familie eine schwere Zeit. Der geborene Aachener stürzte schulisch ab, wechselte vom Gymnasium auf eine Gesamtschule, dann ein Berufskolleg, machte aber nirgendwo einen Abschluss und hatte auch keine Ahnung, wohin seine berufliche Reise gehen sollte.
Irgendwann entschloss er sich dann aber, sein Fachabitur zu machen und schloss es im Bereich Gestaltung mit einer 1,6 ab. Es folgten zwei Semester Informatik-Studium, aber auch das war’s nicht. „Auf der Suche nach irgendwas“ verschlug es ihn mit Mitte 20 dann auf die Berufs- und Studienmesse ZAB, wo ihm ein Plakat der Sparkasse ins Auge fiel. Ohne sich ganz klar darüber zu sein, um welchen Beruf es genau ging, bewarb er sich – und wurde als einer von 1.000 Bewerbern angenommen. „Und plötzlich stand ich da mit Anzug in so einer Filiale,“ erzählt er und man hört immer noch ein leichtes Staunen in seiner Stimme. Er schloss die Ausbildung zum Bankkaufmann erfolgreich ab. „Teils hat es viel Spaß gemacht, teils war es die Hölle auf Erden,“ beschreibt er die zweieinhalb Jahre rückblickend, „aber ich wollte mir selbst beweisen, dass ich das kann.“ Und er konnte es tatsächlich, er lernte wie Unternehmen und Wirtschaft funktionieren und Kundengespräche zu führen. „Das hilft mir heute total.“ Aber alle waren sich einig: Seine Berufung war dieser Beruf nicht. „Die Kollegen haben immer gesagt, dass ich was Künstlerisches machen soll, wahrscheinlich weil ich die Infotafeln immer so schön gestaltet habe, mit Perspektive und Schattierungen,“ lacht Nils Trinks. Ein paar Jahre hielt er sich – durchaus erfolgreich – mit verschiedenen Jobs als Verkäufer über Wasser, beruflich angekommen war er aber nicht.
Wendepunkt in Yokohama
Der Wendepunkt kam mit Ende 20, als er mit seiner jetzigen Frau Urlaub in Japan machte. Ein Traum, für den er lange gespart hatte. Schon immer interessierte er sich für die japanische Kultur und lernte sogar Japanisch. In Yokohama ließ er sich eine Mangafigur auf den Unterarm stechen und dachte plötzlich: „Das kann ich auch! Aber wie zum Teufel wird man Tätowierer?“
Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, man kann nicht einfach irgendwo in die Lehre gehen. Nils fing an sich zu informieren, übte Zeichnen, stellte eine Mappe mit Motiven zusammen und kaufte sich das entsprechende Equipment. Er holte sich Rat bei ¬Tätowierern und flog noch einmal nach ¬Japan um mehr über die dortige Tattookultur zu erfahren. „Geübt habe ich an mir selbst,“ gesteht er. Irgendwann fühlte er sich sicher genug ein Studio zu suchen, bei dem er einsteigen konnte. Das Risiko allein eins zu eröffnen, war ihm noch zu groß. Aber die Konkurrenz unter den Tattoostudios ist hart, niemand wollte ihn. Auch Dietmar Lürken, Inhaber des bekannten Studios „Bloody Tears“, schickte ihn dreimal wieder weg. „Wohl weil er sehen wollte, ob ich hartnäckig genug bin,“ grinst Nils, „jetzt klappt das ¬super hier mit uns.“
Den Corona-Lockdown überstanden
Corona hätte ihm allerdings fast einen Strich durch die Zukunftsplanung gemacht: Kaum hatte er sich selbstständig gemacht, musste das Tattoostudio schließen. „Ich habe 52 Euro Unterstützung pro Monat bekommen und musste von meinem Ersparten leben.“ Vor einer Infektion hat er keine Angst. „Ich achte extrem auf Hygiene, schon vor Corona habe ich nur mit Schutzmaske gearbeitet.“ Die beiden Tätowierer teilen sich die Arbeit: Während Dietmar eher für Mandalas und grafische Motive zuständig ist, hat Nils sich weiter auf Otaku-Tattoos spezialisiert. Meist sticht er Seriencharaktere aus Filmen wie Sailor Moon oder Dragonball, aber auch selbst am Computer entwickelte Figuren. Jetzt ist er angekommen. \
OTAKU-
TATTOOS
In Japan werden Tattoos oft noch mit den kriminellen Machenschaften der Yakuza in Verbindung gebracht, viele Japaner fühlen sich durch Tätowierungen abgeschreckt. Der Begriff Otaku ist eine eigentlich eher abwertend gemeinte Bezeichnung für Mangaleser, meist werden Motive aus Animes oder Mangas als Vorlage für die Tattoos benutzt. \
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