Von Eckhard Heck
„Wieso, am Elisenbrunnen steht doch gar keine Bank!“. Die Bemerkung eines gemeinsamen Bekannten ist vielsagend, denn das scheint genau das Image zu sein, das Karsten „Bunk“ Scholl, unter anderem Sänger der Band Nazi Dogs, anhängt. Der Bürgerschreck vom E-Brunnen, die personifizierte Punk-Bewegung der frühen Achtziger in Aachen. „So 1984 muss das gewesen sein. Das mit dem Aufbau der Heinsberger Punk-Szene wollte nicht so recht klappen“, sagt Karsten. Außerdem wurde es ihm im elterlichen Haushalt in Heinsberg zu eng, also machte er mit Kumpels die Gegend um den Elisenbrunnen unsicher. Ich treffe Karsten nicht am E-Brunnen, sondern in der Nähe seiner Wohnung nahe der Jakobsstraße, an einem typischen Durchgangsort. Ein Spielplatz, zwei Bänke, ein bisschen Grün drumherum. Mütter und Jugendliche aus den angrenzenden Häusern, sonst trifft man hier eigentlich niemanden. Karsten hat den Ort auch eher durch Zufall entdeckt. Der Zufall heißt Minù und ist eine pechschwarze Katze. Diese stellte sich als Mogelpackung heraus, denn eigentlich als Hauskatze in den Schollschen Haushalt eingezogen, entpuppte sie sich als Freigänger mit dem unbedingten Bedürfnis nach Auslauf. Die nahe gelegene Grünfläche kam wie gerufen und Minù absolvierte unter Scholls Aufsicht ein wochenlanges Training, um selbstständig von der Wohnung dort hin und wieder zurück zu gelangen. „Nur die Haustür bekommt sie noch nicht auf“, sagt er und schildert mir mit Begeisterung den Modus Operandi, der unter anderem darin besteht, dass man Minù zu gegebener Zeit vor der Tür absetzt und später immer mal wieder aus dem Fenster schaut, um zu sehen, ob sie von ihren Streifzügen zurück ist. Gelegentlich ist geräuschvolles Anlocken angesagt. Menschen ohne „tierischen Anhang“ werden sich darüber wundern. Für Katzenbesitzer ist sowas vollkommen normal.
Die Bank im Nowhereland hinter der Barockfabrik ist auch so etwas wie ein Oase, wo Ideen für Texte und Projekte entstehen. Aber kontemplativ: „Eher weniger“. Scholl ist ein ausgesprochen rühriger Charakter, der seine Entscheidungen eher „im Laufen“ trifft. Und die Nazi Dogs sind seine bekannteste, aber nicht seine einzige Band. Was die Nazi Dogs und weitere seiner Projekte wie Horrid Red, Teenage Panzerkorps und The Walking Corpses verbindet, ist: Es ist immer „raw“, es ist immer ziemlich lo-fi und es ist so wenig massenkompatibel, wie es authentisch ist. Für das Abfeiern aktueller Post-Punk-Bands hat Karsten wenig übrig. Er verortet sein Ideale eher in der ruhmreichen Vergangenheit. Das T-Shirt, das er auf dem Foto trägt ist ein Original aus einer Kollektion von Vivian Westwood und Macolm McLaren aus der Zeit, als die beiden Genannten im Londoner Stadtteil Chelsea Modelabels wie SEX (1975) und Seditionaries (1977) betrieben. Es ist demnach auch monitär gesehen eine Top-Devotionalie. „Bei eBay geschossen“, sagt Karsten und in seinen Augen blitzt der Spaß am Spiel mit dem Style auf, der durchaus auch mit Mode zu tun haben darf. Da ist er ziemlich entspannt.
Was seine Lebensumstände angeht, ist Scholl inzwischen tatsächlich recht bürgerlich unterwegs (remember, no dogma!). Ein Job in der IT-Branche. Geregeltes Einkommen. Ein weniger ausschweifendes Leben als früher. Von den meisten, die in ihren Vierzigern angekommen sind, hört man Ähnliches. Und was denkt er über seine persönliche Zukunft? Wie soll das gehen, ein Punk im Ruhestand? In Deutschland alt werden, das kann er sich nicht vorstellen. Entgegen meiner Erwartung, macht er sich schon länger Gedanken über so „spießige“ Fragen wie Altersvorsorge und kommt dabei zu überraschenden Antworten. „Asien. Da kann man mit dem Geld, das einem dann bleibt, gut leben“, sagt er und rechnet das mal grob für mich durch. Ich höre und staune. ///
Foto: Eckhard Heck
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