„Mit römisch-katholischer Kirche habe ich nicht viel am Hut, das ist eine gestrige Machtklamotte.“ Fast könnte man Dieter Spoo, Beschäftigter des Bistums Aachen, für einen Kirchenkritiker halten. Doch trotz oder besser gesagt mithilfe dieser kritischen Grundeinstellung hat der 61-jährige Pastoralreferent – drei Kinder, geschieden und in einer neuen Beziehung lebend – für sich die wichtigste Grunddevise der katholischen Kirche definiert: Kirche als Ort, der niemanden durch die Maschen fallen lässt.“Die Türen der Citykirche stehen für alle Menschen offen, egal welcher Konfession, welchen Glaubens und welcher Hautfarbe.“ Spoo, leichter Bauchansatz, graue Haare und sympathische Augen hinter schwarzer Brille, sitzt hinter seinem Schreibtisch, an den Wänden Ölgemälde, Hafenszenerien, Bauernhäuser, weite Landschaften. Dazwischen ticken ein halbes Dutzend französischer Comtoise-Uhren. Doch die Gemütlichkeit täuscht, der gebürtige Mönchengladbacher redet schnell und entschieden und geht keiner Konfrontation aus dem Weg.
Die Idee der Ökumene ist Spoo sozusagen in die Wiege gelegt, der Vater evangelisch, die Mutter katholisch. Studiert hat er Theologie und Sozialpädagogik in Bonn und Paris. In die Region kam er mit 26 Jahren, als Pastoralreferent nach Würselen. Der römisch-katholische Einschlag und das kleinbürgerliche Ambiente waren nicht so sein Fall. Bald ging er nach Aachen, erst fünf Jahre zur Katholischen Hochschulgemeinde, dann zog es ihn zu einem neuen Betätigungsfeld: Radio. Für Lokalsender produzierte er unter dem Namen „Studio K“ Sendungen zu kirchlichem Engagement, reiste nach Peru und Uganda. Später übernahm er die Gemeinde St. Hubertus am Kronenberg. „Das war eine Sisyphos-Arbeit“, erinnert er sich. Ihn störte, dass die gutbürgerliche Pfarrgemeinde vor den Problemen des Viertels die Augen schloss. Spoo wollte die Gemeinschaft öffnen, die Zuwanderer integrieren. Diese weltoffene, liberale Art kam nicht bei allen Mitgliedern an. Nach dreieinhalb Jahren war für ihn dort Schluss.
Und wieder landete er an einer völlig neuen Wirkungsstätte: Er wurde Militärseelsorger. „Viele Soldaten haben mit Beziehungsproblemen und Entwurzelung zu kämpfen“, sagt er. Hilf-reich war, das Spoo keinem der Vorgesetzten Auskunft geben musste, die Soldaten vertrauten ihm. „Das war vor allem dem Kasernenoberst ein Dorn im Auge“, lacht Spoo. „Der hat mich gehasst.“
2009 kam er schließlich zur Citykirche in die Innenstadt. Hier begegnet er Menschen aller Konfessionen und aus allen Bevölkerungsschichten, Arme, Reiche, Deutsche, Ausländer, Flüchtlinge, Asylanten, Prostituierte. Und auch hier ist die Seelsorge ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit. Doch Spoo setzt neben dem Vieraugengespräch ebenso auf Veranstaltungen: Von Lesungen über Konzerte bis hin zu Zielgruppengottesdiensten zu Themen wie Scheidung, Demenz oder Suizid – der Terminplan der Citykirche ist voll.
Um eine so heterogene Zielgruppe wie die der Citykirche zu erreichen, braucht es neue Ansätze. „Wir wollen keinen missionieren, haben keine Erwartungshaltung“, erklärt Spoo. „Freiwilligkeit ist besonders wichtig.“ Kirche dürfe kein Zwang sein und keine Angst machen. Sie müsse dem Menschen auf Augenhöhe begegnen und ihm deutlich machen, dass er nicht alleine ist. „Das ist Kirche, wie ich sie mir vorstelle.“ \ Sebastian Dreher
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