Von Marcus Erberich
Handel ist Wandel. Stillstand ist Rückschritt. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Kling, kling, kling – da rappelt’s im Phrasenschwein. Und dass Spruch Nummer Drei von Erich Honecker stammt, soll an dieser Stelle nicht mehr als eine Randnotiz sein.
Der Einzelhandel ist im Umbruch. Die wichtigste Vokabel heißt „Kanalverschiebung“ – frei übersetzt bedeutet das, dass sich die Kaufkraft vom Offline- in den Onlinekanal verschoben hat.
Im Jahr 2014 sind die Umsätze im Onlinehandel, verglichen mit dem Vorjahr, um 22 Prozent gestiegen. Und so werden aus den eingangs notierten Phrasen Handlungsanweisungen für Einzelhändler.
Strategien gegen Leerstand
Denn das Geld, das die Kunden bei Internet-Versandhäusern ausgeben, fehlt den Geschäften in den Einkaufsstraßen der Städte. Aachen, Eupen, Vaals, Stolberg, Heerlen – sie alle benötigen Strategien im Kampf gegen den Leerstand.
Manfred Piana, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandels- und Dienstleistungsverbandes Aachen-Düren-Köln e.V., sagt: „Der Leerstand in Aachen liegt sicher unter zehn Prozent. Wir liegen nicht über dem Bundes- oder Landesdurchschnitt.“
Jedoch müsse sich jeder Einzelhändler fragen, wie er sein Geschäft auf stabile Füße stellt, denn „der Anteil des verfügbaren Einkommens, der im Einzelhandel landet, ist generell gesunken.“ Und weil es zur Behandlung von Leerstand kein Patentrezept gebe, sagt Manfred Piana, müssten Händler, Eigentümer und Städte gemeinsam daran arbeiten, die Aufenthaltsqualität in den Einkaufsstraßen weiter zu erhöhen – Stichwort: Eventshopping.
Ausverkauf im bestmöglichen Sinne
Thomas Hissel, Abteilungsleiter des Fachbereichs Wirtschaftsförderung und Europäische Angelegenheiten bei der Stadt Aachen, nennt als Beispiel für die Verquickung von Verkaufs- und Erlebnisangeboten die „Braderie“. Ins Deutsche lässt sich das am ehesten mit „Ausverkauf“ übersetzen – jedoch im bestmöglichen Wortsinne.
In Belgien, Frankreich und den Niederlanden steht „Braderie“ für einen Tag, an dem Händler ihre Ware vor ihren Geschäften anbieten dürfen. Drumherum herrscht Volksfest-Atmosphäre: Konzerte, Kinderschminken, Kandisäpfel.
In Aachen ist das Konzept weitgehend unbekannt. Vielleicht, weil es in der Vergangenheit zu wenig Austausch über die Grenzen hinweg gegeben hat. Dabei bedeutet die Lage Aachens, eingekeilt zwischen Belgien und den Niederlanden, doch vor allem eines: Vielfalt. Und Vielfalt bedeutet Fortschritt. Kling!
Voneinander lernen
Um die Vernetzung der Städte im Dreiländereck zu verstärken, wurde im Jahr 2011 die Kooperation „Charlemagne Grenzregion“ ins Leben gerufen. Beteiligt sind die Kommunen Aachen, Vaals und Heerlen sowie die StädteRegion Aachen, die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens und die Parkstad Limburg.
Luise Clemens, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Charlemagne bei der Stadt Aachen, sagt: „Die Charlemagne Grenzregion ist ein wichtiges Bündnis zur Kooperation der Grenzkommunen. Das Ziel ist eine enge Zusammenarbeit in Sachen Arbeitsmarkt, Infrastruktur und Wirtschaft.“
Vorbild Heerlen
Für Thomas Hissel und Luise Clemens ist Heerlen ein Vorbild im Kampf gegen Leerstand – „dort wird das Thema sehr beherzt angepackt“, sagt Hissel. 400.000 Euro stehen dort zur Verfügung – zur Hälfte kommt das Geld von der Provinz Limburg –, um Projekte zur Unterstützung der Einzelhändler zu finanzieren.
Dazu zählen Coachings für Unternehmer, Neugründer-Zuschüsse von 1.000 Euro pro Quadratmeter Schaufenster und die Ansprache von Immobilien-Eigentümern. Mit Blick auf die Haushaltssperre ist so ein Projekt in Aachen derzeit aber wohl nicht finanzierbar.
Selbsthilfe im Verbund
Bis auf Weiteres müssen sich die Aachener Einzelhändler also selbst helfen – und das tun sie nicht alleine, sondern organisiert in Interessengemeinschaften. Im Stadtzentrum gibt es derer zehn – von der IG Adalbertstraße über die IG Domviertel bis hin zur IG Holz- und Dahmengraben. Zusätzlich gibt es den Märkte- und Aktionskreis City e.V., der schon seit Anfang der 70er-Jahre ein Ziel hat: Lust auf Aachen machen.
Eine dieser IG’s ist die „Qualitäts-allianz Q+“. Christoph Gier, Vorsitzender der IG und Geschäftsführer des Fahrradgeschäfts Velo, sagt: „Die Faustpfänder des Einzelhandels sind Qualität, Beratung, Service und Regionalität.“ Um diese Faustpfänder für sich zu nutzen, müssten Einzelhändler ihre Hausaufgaben machen, sagt Gier, also hohe Sachkompetenz in der -Beratung anbieten und ein attraktives Ambiente schaffen.
Zudem sei das Internet auch für Einzelhändler nützlich: „Das Internet ist nicht unbedingt der Feind. Es gehört zum Einzelhandel heute dazu, eine Homepage zu haben – mit Onlineshop oder ohne. So kann ein Geschäft seine Reichweite stark vergrößern.“
Manfred Piana hat es ja gesagt: Es gibt kein Patentrezept gegen Leerstand. Aber es gibt Wege, den Einzelhandel für Kunden attraktiv zu gestalten – trotz des E-Commerce-Booms. Dazu muss er sich nur bewegen. Denn Handel ist Wandel. Und Stillstand ist Rückschritt.\
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