Jan Brandts neues Buch ist eine autobiografische Aufarbeitung eines aktuell gesellschaftlichen Reiz- und Dauerthemas. Das Wohnen in der Stadt, in der Metropole, wo der Wohnraum immer knapper wird und die Mietpreise durch die Decke gehen. Jan Brandt, der 2011 mit dem hochgelobten Roman „Gegen die Welt“, einem Porträt seines Heimatdorfes debütierte, hat seine Lebenswelt zwischen Berlin und dem ostfriesischen Heimatdorf Ihrhove mit einem Wendetitel versehen in ein Buch verpackt. Die Rezensentin der ZEIT nannte es „Immobilienmarktliteratur“, meinte dies im Gesamteindruck aber nicht so abschätzig wie es klingt.
Brandt wird in Berlin wegen Eigenbedarf des Vermieters gekündigt. Folgend beschreibt der Teil „Eine Wohnung in der Stadt“ eine elf Monate dauernde Odyssee der Wohnungssuche, seiner Zwischenstationen mit zwei Koffern bei Freunden und die wachsende Verzweiflung, ob der von der Politik verschlafenen Entwicklung eines entfesselten Immobilienmarktes einer Großstadt, die bis in den 90er Jahren noch billige Heimat sozial schwächerer Stadtbewohner und der hinzugezogenen Künstler-Boheme war.
An neue Projekte für einen Schriftsteller ist in dieser Zeit nicht zu denken. Parallel zieht es Brandt, verunsichert über eine fehlende Perspektive von „Heimat“ in einer Stadt wie Berlin, zurück in sein ostfriesisches Heimatdorf. Im etwas kürzeren Teil „Ein Haus auf dem Land“ steht das Haus seines Urgroßvaters zum Verkauf, ein Ostfriesenhof aus dem Jahr 1863. Es befindet sich nicht mehr in Brandt’schem Familienbesitz, der jetzige Eigentümer will es abreißen und hochpreisige Altenwohnungen errichten. Jan Brandt kämpft gegen Windmühlen. Zu emotional verstrickt er sich in einen etwaigen Rückkauf des Hauses, umgarnt den Investor, kontaktiert alte Tanten, die Denkmalpflege, Lokalpresse, Architekten und die Bank. Er träumt von einem Literaturhaus im Dorf ist aber nur auf der Suche nach der verlorenen Heimat und ändert letztlich nichts an der Entwicklung, die zum Abriss und Neubau führen.
Ähnlich wie Anke Stellings preisgekrönter Roman „Schäfchen im Trockenen“ nimmt sich Brandt ein Sujet vor, das die existentielle Bedeutung für Wohnen in unserer Gesellschaft literarisch und faktisch aufzeigt, und beschreibt wie radikal kapitalistisch man in manchen Fällen als Kündigungsbedrohter oder Wohnungsssuchender vom freien Markt aussortiert wird. \ rm
Jan Brandt:
„Ein Haus auf dem Land / Eine Wohnung in der Stadt“
DuMont Buchverlag
424 Seiten,
24 Euro
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