In seinem jüngsten Film „Die Jagd“ bezieht er es nun jedoch auf ganz andere Weise mit ein. Denn der freundliche Kindergärtner Lucas (Mads Mikkelsen), der eines Tages von der kleinen Tochter (Annika Wedderkopp) seines besten Freundes (Thomas Bo Larsen) aus einer kindlichen Fabulierlaune heraus beschuldigt wird, sie auf den Mund geküsst und sich vor ihr entblößt zu haben, ist absolut unschuldig – daran besteht für den Zuschauer von Anfang an kein Zweifel.
Doch fast niemand will Lucas glauben. Stattdessen entwickelt sich in seinem Heimatort eine regelrechte Hexenjagd, bei der Einkaufsverbote und Pöbeleien bloß der Anfang sind. Unzutreffende Missbrauchsvorwürfe aus unterschiedlichen Motiven, die das Leben eines Unschuldigen vernichten können, sowie ein wütender Mob, der zu Lynchjustiz aufruft – Vinterberg nimmt sich eines heißen Eisens an.
Denn Fakt ist: Neben vielen furchtbaren echten Delikten kommt es auch gelegentlich zu solchen Vorfällen – prominenteste Beispiele dürften der hochkomplizierte Fall Michael Jackson sowie der um TV-Moderator Andreas Türck sein. Und auch die Internet-Lynchaufrufe gegen Verdächtige nach tatsächlichen Sexualverbrechen schlagen in dieselbe Kerbe.
Gegen Gerichte und Berichterstatter, die distanziert mit den Anschuldigungen umgehen, schwingt allerdings immer schnell der Vorwurf mit, dass so etwas nicht sein könne und sie Täter zu Opfern machen würden. Hier setzt auch Vinterbergs Film an, indem er beim Zuschauer zwar ein ungutes Gefühl hinterlässt – ein kleines Mädchen kann doch keine Lügnerin sein! – ihn gleichzeitig aber dazu zwingt, sich mit den Wahrheiten der Handlung auseinanderzusetzen. Ein unbequemes, aber hochgradig spannendes Drama, dem das nuancierte Spiel Mikkelsens die Krone aufsetzt. \ Peter Hoch
DK 2012 // R: Thomas Vinterberg
Start: 28.3.
Bewertung der redaktion
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