An Dig Daddys Geburtstag hat sich die ganze Familie versammelt, um den Ehrentag mit dem ätzenden, aber reichen Familienoberhaupt (Rainer Krause) zu feiern. Es verspricht keine besinnliche Familienfeier zu werden, dass hier der eine den anderen nicht leiden kann und sich die Schwiegertöchter im Kampf um das ganz große Erbe schon mal in Position bringen.
„Ich hab so einen Hals“ empört sich Maggie (Nadine Kiesewalter) über Schwager Goopers Familie. Sie tobt über die Bühne, beklagt sich, wischt sich Eis von der Bluse und versucht, bei ihrem Mann Brick Unterstützung zu finden. Sie hasst nicht nur ihre Schwägerin und ihren Schwager, sondern auch deren Kinderschar, die sie „als halslose Ungeheuer“ bezeichnet, denn „ihre fetten kleinen Köpfe sitzen direkt auf ihren fetten kleinen Körpern.“ Doch gleich zu Beginn wird klar: Die nervigen Kinder sind nicht Maggies einziges Problem.
Lasziv räkelt sie sich in einem Negligee vor dem gelangweilt wirkenden Brick (Benedikt Voellmy), ist mal völlig verzweifelt über ihre einseitige Liebe zu ihrem Mann und im nächsten Moment wieder Herr der Lage. „Ich habe den Kampf aufgenommen und ich werden siegen!“
Brick scheint seine Frau zu hassen, flüchtet sich seit dem Selbstmord seines besten Freundes Skipper in den Alkohol. Verlogenheit und Heuchelei bringen ihn um den Verstand.
In einem Glaskasten im Hintergrund sieht man bei allen Streitereien zwischen Maggie und Brick die scheinbar heile Welt von Gooper, seiner Ehefrau Mae und ihren Kinder. Unablässig wird gesungen, getanzt, Grimassen gezogen und umsorgt.
Doch auch hier bröckelt die Fassade. Trotz des Kinderreichtums wirkt Mae unbefriedigt, zupft und fingert ständig an sich, Gooper oder den Kindern herum. Und auch Goopers schickes Outfit, bestehend aus einem Anzug und texanischem Cowboyhut, täuscht nicht über seine missliche Lage hinweg – ständiges Beschäftigtsein mit den nervenden Kindern und den Zurechtweisungen seiner Frau.
Big Daddy – gerade noch im Krankenhaus gewesen – glaubt, dem Tod gerade noch mal von der Schippe gesprungen zu sein, nimmt kein Blatt vor den Mund, pöbelt rum und zeigt offen seine Abneigung gegenüber allen Familienmitgliedern („Verdammtes Lügenpack! Die sollen alle verrecken.“). Einzig Brick scheint ihm etwas zu bedeuten. Doch auch ein klärendes Gespräch zwischen Vater und Sohn, in dem vor allem die homosexuelle Beziehung zwischen Brick und seinem Freund Skipper thematisiert wird, endet in einem neuen Eklat, da Brick – anders als die anderen – seinem Vater dessen nahen Tod nicht länger verschweigen kann.
Diese ganze Dramatik jeder einzelnen Person und das heranrasende Unvermeidliche und Unausweichliche ihrer Lage erinnert stark an eine große, griechische Tragödie.
Ludger Engels gelingt eine sehr atmosphärische Inszenierung. Sollte beim ein oder anderen Besucher vor dem geistigen Auge doch ab und an Liz Taylor aufblitzen, so muss man sagen: Dieses Bühnenstück will in keinster Form mit dem Film-Mythos konkurrieren. Vielmehr schafft Engels mit seiner Inszenierung ein tolles, eigenes Stück, das durch grandiose Leistung der Schauspieler besticht, die in den bissigen Dialog-Szenen ebenso glänzen wie in den absurd-komischen Familien-Momenten.
Das fand wohl auch das Premieren-Publikum und dankte es der ganzen Crew, lobend sollte auch noch das Bühnenbild von Ric Schachtebeck erwähnt werden, mit einem überaus lang andauerndem Applaus, lautem Gepfeife und etlichen Bravo-Rufen. /// Kira Wirtz
4. (19.30 Uhr) und 8.4. (18 Uhr)
„Die Katze auf dem heißen Blechdach“
Bühne, Theater Aachen
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