von Robert Targan
Dies sei eingangs direkt erwähnt: Ort und Zeit des Geschehens – Paris im 17. Jahrhundert – hat Regisseur Dominik Günther ruckartig modernisiert: Der „Aachener Menschenfeind“ stolpert durch eine Szenerie-Kreuzung aus Techno-Hölle und Studio 54 (Bühne und Kostüme: Sandra Fox).
So überschneiden sich direkt zu Beginn der Komödie die Worte Molières (deutsche Enzensberger-Fassung) mit stampfenden Beats, die Philipp Manuel Rothkopf als Clitandre wie ein Wahnsinniger hinter einem Plattenspieler abfeuert. Hat man diese „zaghafte“ Verpflanzung akzeptiert, tritt das Eigentliche in den Vordergrund: Da ist einer, der ehrlich sein möchte. Zu jedem. Knallhart.
Verbale Quittung
„Nein! So ein Benehmen ist schamlos und gemein // Ich würde mir so etwas nie verzeihn // Wenn mich einmal die Umstände zu so was zwängen // Ich würde mich am gleichen Tag erhängen.“
Der misanthropische Alceste belehrt seinen Freund Philinte, den er kürzlich bei einer herzlichen Umarmung beobachtete – einer durchweg geheuchelten, wohlgemerkt. Der Beschuldigte pocht auf den guten Ton und seine Manieren; zweifelt an Alcestes Bestreben, jeglicher Anpassung zu entfliehen.
Und schon wird eben dieser auf die Probe gestellt. Befragt nach der Qualität seiner dürftigen Verse, erhält der sich anbiedernde Dichter Oronte (herrlich verschroben: Rainer Krause) vom Menschenfeind die verbale Quittung: „Nichts! Subkultur! Trivial!“ Der Beleidigte zieht erst ab und dann vor Gericht.
Auffliegende Oberflächlichkeit
Eine Frau darf bei diesem Zwist nicht fehlen – Célimène (Katja Zinsmeister mimt das Partygirl) wirft allen männlichen Beteiligten vielsagende Blicke zu. Diese Oberflächlichkeit fliegt mit einem Brief der Kokettierenden auf, in dem sie sämtliche Verehrer dem Spott preisgibt.
„Brief“ bedeutet auf der Kammerbühne übrigens Smartphone-Nachricht; statt Wein kippt man unzählige Wackelpudding-Shots herunter und der Soundtrack des Stücks reicht von Stereo Total bis hin zu Klaus Lage. Neuigkeiten erfahren die Akteure zudem von Twitter.
Melancholisch still auf lauter Bühne
Wie erfrischend da das Spiel Torsten Borms in der Rolle des Titelhelden, der melancholisch still im Parka über die laute Bühne schlurft und sich schlussendlich in einen Schlafsack verkriecht.
Hier erfüllt Borm eben genau die vorgesehene Rolle: Abgrenzung von der sich verstellenden Masse, Rückzug, „Ich gehe jetzt!“. Da hat man sich auf der Bühne längst schon von ihm abgewendet. Nicht jedoch der Kammer-Zuschauer: Starker Premieren-Applaus!\
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