Wie wird man von außen wahrgenommen, wie nimmt man sich selbst von außen wahr? Als Foto, als Träger eines Images? Der Verwandlungs- und Performancekünstler Emilio López-Menchero schlüpft extrospektiv in Rollen und inszeniert sich als Nachahmung berühmter Fotos von berühmten physiognomiekonformen und charismatischen Personen (Che, Rasputin, Frida Kahlo…). Als weitere Erlebnisqualität des Unbehagens integriert er, sich dabei als Kontrolleur gebärdend, im Museumeingang einen Nachbau des Checkpoint Charlie, den er als (über Filme) berüchtigten Übergangsort von West- zu Ostberlin, bzw. stilisiert durch eine Panzerkonfrontation Oktober 1961 als Übergang von West- zu Ostzone reaktiviert. Das hat López-Menchero zuvor schon in Brüssel an einer Übergangsstelle zwischen Reichen- und Armenviertel getan, mit aggressiven Folgen wie Fahnenverbrennungen und Empörung bei den dort wohnenden „Wutasylanten“, die weder die Geschichte, noch die Anspielung erkannten, sondern sich kontrolliert fühlten. Die Provokation durch unerkannte Kunstaktion ist zugleich aktiver Teil der Appropriation Art-Strömung, jene konzeptuell kopierende Kunst zwischen Ideenklau, kommentierender Nachahmung, Erfolgsbeschaffung durch Sampling bereits erfolgreicher Vorbilder und einer goetheanischen Selbstaneignungsbildung Marke „Was von deinen Vätern du ererbt, erwirb es, um es zu besitzen.“
Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr die Ländergrenzen auch für die Kunstwahrnehmung gelten. Kennt man hierzulande irgend einen niederländischen oder belgischen Dadaisten, schon gar einen Spätdadaisten parallel zur Dadarezeption der Fluxusbewegung, einen der offensichtlich Kurt Schwitters, dem ästethischsten aller Dadaisten folgte?
Der in Rotterdam geborene Brüsseler Wout Hoeboer (1910-83) war so eine unabhängige Künstlerfigur innerhalb der belgischen Avantgarde nach dem 2.Weltkrieg, die am Dadaismus, Surrealismus, CoBrA, Abstraktion und Arte Nucleare (italienisches Informel) beteiligt war, Karl-Otto Goetz vergleichbar rege. Von den belgischen Surrealisten kennt man Rene Magritte und Paul Delvaux, vielleicht noch Raoul Ubac, kaum noch Paul Nougé, Camille Goemans, Marcel Lecomte. Louis Scutenaire, André Souris Marcel Mariën, Edouard Léon Théodore Mesens, Jane Graverol, Rachel Baes, Marc Eemans und Armand Simon. Theater, Fotografie und Film nahmen Einfluß auf Hoeboers Werk. Als Illustrator und Designer hat er seine freien Formfindungen und ausgewogenen Bilder seit den 1930ern als Radierer, mit Holzschnitten, dann Linolschnitten und später Lithographien umgesetzt. Mit Dichtern befreundet (Dotremont, Broodthaers, Koenig, …) und mit der frankophonen Kunstszene Belgien vertraut, nahm er 1959 an dem in Belgien skandalhaften surrealen Film „L’Imitation du cinema“ von Marcel Mariën teil, der in Frankreich und Amerika verboten wurde.
Im Mittelpunkt der Ausstellung im IKOB stehen Werke der Zeit nach 1950 – zum großen Teil aus dem von der Tochter verwalteten Nachlass. Sie belegen Hoeboers dadaistische Prägung und die künstlerische Freiheit seiner hochästhetischen Malfreude. Seine Formwelt blüht beim Übergang zur Abstraktion zu eigenwilligen Strukturphantasien auf, ohne jede Inhaltsschwere, auratische Geste oder Attitüde. In dadaistisch unbekümmerter Manier tanzen diese Bilder: a) inwendig, b) in Zeilen, Petersburger Ballungen und Schrägstellungen auf den Wänden herum. Eine frei abstrakte Formensprache, die in Zeiten neuer Figuration wohl wieder Jahrzehnte in den Hinterzimmern der Hype-Aufmerksamkeit verbringen dürfte, zu Unrecht … /// Dirk Tölke
bis 8.1.
Wout Hoeboer (1910-83) – wuhubudaDa und
Emilio López-Menchero – CHECKPOINT CHARLIE
IKOB Museum für zeitgenössische Kunst Eupen
Eintritt: 3 Euro, Kinder 1 Euro, Gruppen (ab 10) 2 Euro
WEITEREMPFEHLEN