„Eleganz und raue Sitten“ ist die Schau betitelt, in der erstmals rund 110 Werke des Haarlemer Künstlers im Suermondt-Ludwig-Museum zu sehen sein werden; Gemälde, Zeichnungen und Radierungen aus renommierten Privat- und Museumssammlungen. Die Aachener Ausstellung zeigt deutlich den Wandel während des Goldenen Zeitalters der niederländischen Kunst: Nach der religiös geprägten Weltordnung des Spätmittelalters bricht das Weltliche, das Normale, das Alltägliche in den Kunstwerken des 17. Jahrhunderts hervor. Dennoch ist es kein realistisches Abbild der burlesken Szenerien zwischen Trunksucht und Kuppelei – es ist des edlen Städters Sicht auf den primitiven Bauern, der ungebildet und lasterhaft der Untugend verfällt. Cornelis Bega selbst stammte aus einer wohlhabenden Künstlerfamilie, dennoch sei in seinen Werken durchaus Empathie mit den meist in Armut lebenden Protagonisten und ihrer Situation zu finden, urteilen die Ausstellungsmacher. Bega mache den Betrachter mit seinen Werken zum Zeugen der Schattenseiten des Lebens, sie wirken wie ein „Blick aus dem Fenster in die Realität“, schreibt Peter van den Brink in seiner Einführung „Tausend Stufen Grau“ im Ausstellungskatalog. Technisch sind die flüchtigen Skizzen ebenso brillant wie die rembrandtesk ausgeleuchteten Gemälde: Cornelis Bega, ausgebildet beim stilprägenden Maler Adriaen van Ostade in Haarlem, demonstriert in jedem Detail seine handwerkliche Meisterschaft. Schon in der Zeichnung wirken Stoff und Faltenwurf der Kleidungsstücke so plastisch und lebendig, dass gar nicht auffällt, dass Bega seinen Figuren mitunter gar kein Gesicht gibt, weil er sich in der präzisen Wiedergabe des Materials verliert. Armut mit Anmut So zufällig und schnappschussartig die Wirtshausszenen mit Trinkern und Musikern auch wirken, sie sind das Ergebnis einer sorgfältigen Komposition, in der Bega seine Figuren zu lebhaften Gruppen und intimen Paaren arrangiert. So vielfältig wie die holländischen und flämischen Maler des 16. und 17. Jahrhunderts die „Fünf Sinne“ zu thematisierten wussten, liegt es auch bei Bega nahe, dass er mit seiner präzisen Darstellung von Stoff und Material den Augen- und den Tastsinn ansprechen, quasi ‚virtuelle Haptik’ schaffen wollte. Grundsätzlich schwingt bei Bega, der sich malerisch zwischen den karikaturhaft komödiantischen Bauernbildern Adriaen van Ostades und den belehrenden Moralstücken Jan Steens, der Leidener Feinmalerei und dem frühen holländischen Klassizismus bewegt, auch ein anderes großes Thema der Epoche mit: Der „Paragone“, der Wettstreit zwischen Malerei und Bildhauerei, bei dem es um die Rangfolge der bildenden Künste ging. Die Genrebilder des 17. Jahrhunderts mit Wirtshausszenen, Raufereien und leichten Mädchen dienten nach calvinistischer Moralvorstellung alsabschreckende Beispiele. Bega führt das traditionelle niederländische Bauerngenre weiter, indem er „Armut mit Anmut versöhnt“, wie der Katalog es auf den Punkt bringt. Seine Gemälde strahlen allein durch die gedeckten, erdigen Farben eine eigentümliche Ruhe aus, die den lebhaften Motiven feucht-fröhlicher Feste manchmal diametral entgegen steht. Bei genauerer Betrachtung fallen seltsame Details ins Auge, die sich einer eindeutigen Erklärung entziehen – immer wieder bereichern Rückenfiguren die Szenerie, ohne für diese von inhaltlicher Bedeutung zu sein. Hier ein herumliegender Pantoffel, dort ein umgestürzter Krug… in nahezu jeder Szene ist noch ein Stilleben installiert und damit der Betrachter aufgefordert, wirklich genau hinzusehen und in die (Bilder-)Welt des Cornelis Bega einzutauchen. /// Belinda Petri
Foto: Cornelis Bega, Selbstbildnis, ca. 1649-50, Ölskizze auf Papier, 187 x 172 mm, Copyright: Privatsammlung
15.3. bis 10.6.
Suermondt-Ludwig-Museum
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