Wer könnte die sinnliche Verführerin auf der Leinwand glanzvoller und graziöser geben als die grandiose Cate Blanchett? Sie verliebt sich in dieser Verfilmung des autobiografisch gefärbten Romans von Patricia Highsmith im New York der 1950er-Jahre in der Rolle der Titelheldin in eine hübsche Verkäuferin.
Ihr Gatte reagiert cholerisch und sinnt auf perfide Rache. Selbstsicherheit gehört nicht unbedingt zu den Stärken der hübschen Spielzeug-Verkäuferin Therese (Rooney Mara). Ganz im Gegensatz zu Carol, der eleganten Lady, die beim Einkauf im Kaufhaus spontan verzaubert ist von der jungen Frau. Dem verführerischen Flirt folgt die große Leidenschaft.
Unglaubliche Leichtigkeit
Aus „moralischen Gründen“ soll Carol das Sorgerecht für ihre Tochter entzogen werden. Mutterliebe oder Liebesglück – für die Heldin ein schier unlösbares Dilemma.
Wie üblich inszeniert Todd Haynes („Dem Himmel so fern“) sein vielschichtiges Melodram mit unglaublicher Leichtigkeit und visueller Eleganz. Kameramann Ed Lachmann bebildert im Super-16-Format stilsicher ein atmosphärisch dichtes New York der 1950er-Jahre, dessen Retro-Schick ohne werbeästhetischen Firlefanz auskommt. Er fotografiert die Heldinnen aus der Distanz, häufig hinter spiegelnden Scheiben, oder lässt sie in betörenden Großaufnahmen zum prickelnden Gefühlsduell antreten.
Hier zählt jede winzige Geste und jeder Wimpernschlag – was Blanchett und Mara mit makelloser Präzision beherrschen. Während die selbstbewusste Alpha-Frau unter dem Druck, die Tochter zu verlieren, zunehmend zerbrechlicher wirkt, wächst ihre junge Partnerin langsam aber sicher vom schüchternen Entchen zum stolzen Schwan heran.
Erotisches Knistern
Die Chemie zwischen den beiden Frauen stimmt famos, bereits bei der ersten Begegnung liegt ein erotisches Knistern in der Luft.
Eine Liebe unter Frauen hat es im moralinsauren Muff der 1950er-Jahre in „God’s own Country“ freilich so schwer wie eine Cowboy-Beziehung in „Brokeback Mountain“. Todd Haynes macht aus dieser verbotenen Leidenschaft kein plumpes Botschaftskino, die gesellschaftspolitische Komponente läuft gleichsam unaufdringlich nebenher.
So erzählt er eine wunderbar inszenierte, emotional packende Geschichte, die zur bezaubernden Lovestory mit Klassikerqualitäten gerät. \
Dieter Oßwald
„Carol“
USA 2015 // R: Todd Haynes
Start: 17.12.
Preview am 16.12. um 20.15 Uhr im Apollo
Die Vorlage
Zwei Jahre nach ihrem Erfolgsdebüt mit dem Krimi „Zwei Fremde im Zug“, den Alfred Hitchcock kurz darauf verfilmte, veröffentlichte Patricia Highsmith 1952 „Salz und sein Preis“ (später: „Carol“).
Es erschien zwar unter dem Pseudonym Claire Morgan, wurde aber trotzdem zum Bestseller und Kultroman der lesbischen Community. Erst 1984 bekannte die Autorin sich dazu, es geschrieben zu haben – inspiriert durch eine Begebenheit aus ihrem eigenen Leben.
Bewertung der redaktion
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