„Super Size Me“ heißt wohl der bekannteste Selbstversuch der neueren Kultur/Entertainment-Geschichte. Der US-Regisseur Morgan Spurlock hat sich 30 Tage lang ausschließlich von McDonalds ernährt. Morgens, mittags, abends nur BigMac, Apfeltasche und McFlurry. Zusätzlich bestellte er sich grundsätzlich immer ein „Supersized“ Menü, sobald er danach gefragt wurde – also fast immer. Nach einem Monat hatte Spurlock 13 Prozent seines früheren Körpergewichts zugelegt – rund 11 Kilogramm.
Der Selbstversuch, dem sich die beiden Schauspieler Julia Brettschneider und Philipp Manuel Rothkopf parallel zu den Proben zu „Ein Jahr für die Ewigkeit – CO2-frei und Spaß dabei“ und darüber hinaus aussetzen, ist weniger gesundheitsgefährdend, dafür dauert er länger. Brettschneider und Rothkopf versuchen, ein volles Jahr ihren Kohlendioxidausstoß auf ein Minimum herunterzuschrauben. Dieser liegt statistisch gesehen bei sage und schreibe zehn Tonnen jährlich.
„Die Ursprungsidee kam mir, als ich ‚Recipes for Desaster’ gesehen habe“, erklärt Regisseurin Daniela Neubauer. In dem Dokumentarfilm versucht der Filmemacher John Webster gemeinsam mit seiner Familie, ein Jahr auf den Konsum von Erdölprodukten zu verzichten – ohne auf seinen mittelständischen Lebensstil verzichten zu müssen. Dass fast jedes Lebensmittel und jeder Hygieneartikel in Plastik verpackt ist, macht das CO2-freie Einkaufen zur Geduldsprobe.
„Ich habe mir ein anderes Einkaufsverhalten zugelegt“, erklärt Rothkopf. „Statt für eine ganze Woche einzukaufen, hole ich nur noch Kleinigkeiten, die ich sofort verbrauchen kann.“ Nächstes Ziel des Selbstversuchs ist es nämlich, den Kühlschrank abzuschalten. Dem Plastik hat er ebenfalls den Kampf angesagt. In gewöhnlichen Supermärkten, aber auch in Bioläden ist der Kunststoff allgegenwärtig, deshalb geht Rothkopf so oft es geht mit Schüsseln bewaffnet zum Markt. „Da kann ich mir die Sachen direkt reinfüllen lassen.“ Ein Auto hat er sowieso nicht, alles wird zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt.
Viele Tipps zur CO2-Minimierung klingen nach Kindergarten, haben aber eine große Wirkung: Hände nur mit kaltem Wasser waschen, Leitungswasser trinken oder, wenn auf Kohlensäure nicht verzichtet werden kann, den Glasflaschensprudel der regionalen Quelle kaufen.
Eins ist klar: wenn man seinen CO2-Ausstoß minimieren will, muss man erfinderisch und kreativ sein. Das ist auch das Motto des Stücks. Anders als bei üblichen Produktionen lag bei „Ein Jahr für die Ewigkeit“ kein Drehbuch vor, das Stück entwickelte sich während der Proben, schrieb sich quasi selbst. „Wir sprechen viel, diskutieren und geben uns Tipps“, sagt Dramaturg Harald Wolff. „Die Ideen und Erfahrungen der Schauspieler fließen in die Handlung ein.“ Trotz der flexiblen Gestaltung soll am Ende trotzdem ein fester Plot mit fiktiven Figuren stehen.
„Mir gefällt diese Arbeitsweise“, sagt Rothkopf. „Man setzt nicht nur Texte um, sondern gibt selber Input.“ Und setzt hinzu: „Irgendwann muss natürlich Schluss sein mit Improvisieren.“
Die interaktive Komponente geht sogar noch weiter. Einmal in der Woche informieren Rothkopf und Brettschneider im Mörgens-Café über ihre Erfahrungen. Zu dem so genannten „Ewigkeitsbüro“ werden regelmäßig Experten eingeladen, und auch Aachener Bürger, die sich ebenfalls am CO2-freien Leben versuchen, sind herzlich willkommen. Zusätzlich informiert ein Blog über die Entwicklungen der „Umweltdiät“ und die dazugehörigen Tipps.
Natürlich gibt es auch Rückschläge. „Unser Vorhaben, den Theaterraum ausschließlich mit Strom zu versorgen, den wir durch unsere eigene Muskelkraft erzeugen, haben wir schnell wieder verworfen“, erinnert sich Wolff. Stattdessen wollen die Theatermacher bis zur Premiere komplett auf Ökostrom umgestellt haben. Eine Entwicklung ist allerdings schon heute greifbar. Wolf: „Ab sofort wird das Theater Aachen nur noch Recyclingpapier benutzen.“
/// Sebastian Dreher
10.11.
„Ein Jahr für die Ewigkeit – CO2-frei und Spaß dabei“
20 Uhr, Mörgens
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