Von Heiner Jordan
Das Geschehen ist unheimlich, die Musik oft düster, schon in der Ouvertüre oft chromatisch schwe-bend. Ins Bild gesetzt wird diese Atmosphäre durch einen Chor gruseliger Geister, der die Handlung oft surreal durch eine hohe Fensterfront verfolgt. Tibor Torell inszeniert „Katja Kabanowa“ am Theater Aachen.
Katja Kabanowa (Irina Popova) ist mit Tichon (Johan Weigl) verheiratet. Der aber ist abhängig von seiner Mutter Kabanicha und steht nicht zu seiner Frau, Katja stellt immerhin die Frage: „Warum kränken Sie mich so?“ Boris (Alexey Kosarew) ist der Neffe von Sowjal Dikoj und ist abhängig von ihm, denn der verwaltet sein Erbe und wird es ihm erst übergeben, wenn er und seine jüngere Schwester ihm bis zur Volljährigkeit dienen.
In dieser dörflichen Enge herrscht geringschätzige Verächtlichkeit. Die darunter leiden, Katja und Boris, und von Freiheit träumen, verlieben sich. In der Kirche haben sie sich gesehen. Sie habe so ein engelsgleiches Gesicht beim Beten, erzählt er dem Lehrer Kudrjasch (Patricio Arroyo), der sich heimlich mit der gewitzten Varvara, Katjas Halbschwester (Viola Zimmermann) trifft, die dann auch die Begegnung von Katja und Boris arrangiert.
Katja schwelgt Varvara gegenüber in Erinnerungen daran, wie versunken sie als Kind immer in der Messe war. Nahtlos kippt diese religiöse Schwärmerei in verzweifelt düstere Leidenschaft zu Boris, den sie noch nie gesprochen hat. Sie fühlt sich schuldig, hat Angst vor sich und ihren Gefühlen. Unentschlossen trägt sie immer wieder einen Koffer hierhin, dorthin. Weggehen tun aber andere: Tichon geht auf Geschäftsreise.
Katja ist verzweifelt, sie will mit ihm reisen, um der Versuchung zu entgehen, Kontakt zu Boris zu suchen. Steif weigert sich Tichon und lässt sie unter dem verächtlichen Diktat der Mutter schwören, in seiner Abwesenheit der Mutter zu gehorchen und vor allem keinem Mann hinterherzuschauen. Weggehen wird auch Boris, mit dem sie dann zehn Tage und Nächte verbringt, und alles öffentlich gesteht, als Tichon heimkehrt. Boris wird dann die gedemütigte Katja in die Arme nehmen, ihr versprechen, sie zu beschützen, um sich wenig später auf eine anbefohlene Geschäftsreise davonzuschleichen. Grandios dramatisch ist die Musik. Die Gesangslinien sind vielleicht gewöhnungsbedürftig, denn Janác?ek lehnte Arien als unrealistisch ab.
Er orientierte sich beim Gesang an der Sprachmelodie. Nur selten verirren sich kurze Melodien in den Gesang, der in seiner rezitativischen Art dennoch sehr eindringlich wirkt. Farbe, emotionale Tiefe und Heftigkeit gewinnt er durch das Orchester, das den Gesang oft in sehr kurzen, abgerissenen Motiven sehr eigenständig „begleitet“. Janácek variiert diese Motive oft in Tonart, Tempo, Harmonisierung und Instrumentation sehr ausdrucksstark.
Oft verleiht das Orchester den handelnden Personen etwas Gehetztes, manchmal offenbart es die düster eruptive Gewalt, die in dieser Enge brodelt und durchbricht. Mit scharfen, kalten Akkorden legt sie den Charakter der Kabanicha bloß, während die im Sprechgesang ihre Schwiegertochter angiftet. Beeindruckend dabei ist die Vielfalt an Klangfarben vor allem der Bläser in unterschiedlicher Kombination, die oft – nicht immer – sehr präzise spielen. Die gesangliche Leistung der Darsteller ist durchweg überzeugend. Hervorzuheben ist Irina Popova als Katja, wie sie zwischen Sehnsucht, Selbstvorwürfen und Verzweiflung hin und her gerissen ist.
Kleines Manko: Das Bühnenbild wirkt leider wie ein Sammelsurium. Und auch die Idee, das ganze Geschehen als inneres Drama der Katja zu inszenieren, wirkt stellenweise konstruiert. \
2., 14.+29.12.
„Katja Kabanowa“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
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