Und wie sie wartet. Unverschämt, stolz, klug, selbstbewusst. Und mit ihren geistigen Ergüssen versorgt sie das Publikum, spricht es direkt an, nutzt die Bühne als ihren Schauplatz, wälzt sich über den Boden, springt von einer Ecke in die nächste, präsentiert sich mit erhobenem Haupt am Bühnenrand, schaut hinab auf das Publikum und strahlt mit jedem Atemzug die rhetorische Frage aus: „Kann mir irgendjemand das Wasser reichen?!“
Dabei sieht sie aus wie ein harmloser, kleiner Freigeist im Janis Joplin-Look. Wirres, lockiges Haar, bunte Klamotten, Plateau-Clogs und Brille. Auf den Lippen glitzernder Gloss. Mal schmollt sie wie ein Kind, dann kokettiert sie wie eine frühreife Teenagerin, in der nächsten Sekunde ist sie weise. In der Hand trägt sie ein Buch. Ihr Tagebuch. Mit ihren Gedanken: „Ich bin ungewöhnlich. Ich bin originell. Ich bin ein Genie.“ Damit auch jeder das versteht, unterstreicht sie ihre famosen Gedankenfluten, deren Wiederholungen fast akustisch klingen, mit dem rhythmischen Gespiele auf einem Schlagzeug. Elke Borkenstein geht vollkommen auf in ihrer Rolle. „Ich will Ruhm. Ich will Glück. Ich würde dem Teufel alles für Glück geben.“ Und schon wieder rollt sie sich über die Bühne, setzt zum Rückwärtssalto an, kommt erschöpft zum Liegen.
Irgendwo im Nirgendwo, in einer Ödnis – wunderbar unterstrichen vom schwimmbadartigen, trostlosen Bühnenbild – lebt die provokante Protagonistin, durchlebt jeden Tag ähnlich gelangweilt, schreibt ihr Leben in einem Tagebuch auf, aus dem sie dann vorliest. Früh aufstehen, essen, schlafen, lesen, wischen, uninteressante Leute treffen… Dabei schwankt sie zwischen manisch und depressiv, zwischen altklug und durchgeknallt.
Regisseurin Tanja Krone hat mit „Ich erwarte die Ankunft des Teufels“ nach Mary MacLane in der Kammer des Theater Aachen ein zeitloses, amüsantes, auf den ersten Blick banales, aber dennoch tiefgehendes Ein-Personenstück geschaffen, das mit Elke Borkenstein perfekt besetzt ist. Die Geschichte basiert auf einem autobiographischen Roman von 1902, in dem uns Mary MacLane daran erinnert, wie es ist 19. Jahre alt zu sein und auf sein Leben zu warten. Oder besser auf die guten Momente. Oder eben die schlechten. Hauptsache es passiert etwas. Am Ende ist man als Zuschauer sprachlos, wieviel Narzissmus gepaart mit Dreistigkeit Elke Borkenstein ausspucken kann, ohne selber zu lachen. So wie MacLane die Fähigkeit besaß diese Mischung aus Langeweile, Überdruss, Einsamkeit und Sehnsucht in Worte zu fassen, so kann Borkenstein sie transportieren. Das Publikum ist begeistert. Am Ende ist es nämlich das, was Mary MacLane schon 1902 schrieb: „Das sind geheime Gedanken von jemanden, der wahnsinnig genug ist, sie laut auszusprechen.“ \ von kira wirtz
„Ich erwarte die Ankunft des Teufels“
20 Uhr, Kammer, Theater Aachen
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