Würden Sie jemandem Ihr Handy überlassen, mit Zugang zu all den Nachrichten und Anrufen, die dort eingehen? Und wenn es sich um Ihre engsten Freunde handelte oder gar Ihre Ehefrau oder Ihren Ehemann? Vor denen hat man doch schließlich keine Geheimnisse!
Im Prinzip ist genau das die Versuchsanordnung in Paolo Genoveses Stück „Das perfekte Geheimnis“, das derzeit im Aachener Grenzlandtheater zu sehen ist. Bei einer Party kommen drei Paare und ein weiterer Freund zusammen. Während einer Diskussion über Ehrlichkeit und Offenheit wird die Idee geboren, doch einfach die sieben Smartphones auf den Tisch zu legen und die Kommunikation für alle öffentlich zu machen.
Was anfangs noch wie ein lustiges Spiel anmutet, bekommt im Laufe des Abends mit jeder neuen delikaten Offenbarung zunehmend dramatische Züge. Denn natürlich gibt es jede Menge Dinge, die man von seinen Liebsten noch nicht wusste und erst recht nicht gedacht hätte.
Genoveses Stück war ursprünglich als Film erfolgreich, der in mehreren Ländern neu aufgelegt wurde. In der deutschen Version aus dem Jahr 2019 waren unter anderem Elyas M’Barek, Karoline Herfurth und Jella Haase in prominenten Rollen zu sehen. Natürlich verbietet sich jeder Vergleich der Inszenierung am Grenzlandtheater mit der Filmversion. Und doch mag Regisseurin Anja Junski, die auch Dramaturgin des Hauses ist und derzeit die kommissarische Leitung innehat, bei der Wahl des Stücks auch ein wenig dessen Popularität im Hinterkopf gehabt haben.
Die Herausforderung für das Ensemble besteht in der Gratwanderung zwischen Komik und Tragik, die im Großen und Ganzen gelingt. Die männlichen Rollen, zuvorderst Sebastian Schlemmer als Cosimo, Matthias Zeeb als Rocco und Alexander Koll als Lele, sind eher für den humoristischen Part zuständig. Das kann schon mal etwas angestrengt ins Klamaukige kippen, etwa wenn sie beim Anruf von „Steve Jobs“ zum Biene-Maja-Klingelton in gespielter Zeitlupe nach dem Handy hechten. Differenzierter spielen die Frauen. Vor allem Cynthia Thurat als Bianca und Maja Müller als Carlotta verleihen ihren Figuren in ihrer Enttäuschung über die jeweiligen Partner Tiefe. Der toughen Psychotherapeutin Eva (Aline Hochscheid) mag man den Wunsch nach einer Brustvergrößerung allerdings nicht recht abkaufen. Als deren 16-jährige Tochter Sofia darf Carolin Leweling in einer Nebenrolle etwas rumnörgeln. Martin Asselmann als homosexueller Peppe wird mit seiner Anklage gegen die intoleranten Freunde („Nicht ich habe mich geoutet, sondern ihr!“) schließlich zum starken Dreh und Angelpunkt des Stücks. Das ist viel Personal für die kleine Bühne, die Tom Grasshoff wohl auch deshalb recht nüchtern und mit nur den nötigsten Requisiten gestaltet hat.
Wie viel Ehrlichkeit verträgt eine Beziehung? Ein alternatives Ende beantwortet die Frage dann doch recht eindeutig. \⇥chr
bis 9.4.
„Das perfekte Geheimnis“
20 Uhr, diverse Orte
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