Franz Woyzeck ist ein tragischer Held, der aus prekären Verhältnissen stammt. Ein einfacher Soldat, der sich mit weiteren Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Er hat ein uneheliches Kind mit Marie, einer jungen Frau, die sich nach Unterhaltung und Leidenschaft sehnt. Und daraus macht sie keinen Hehl. Von seiner Umgebung wird Woyzeck ausgenutzt, herumgeschubst, beleidigt und verspottet. Und da er sich für eine kleine Entlohnung, um seine Familie über Wasser zu halten, fragwürdigen medizinischen Experimenten aussetzt, bekommt er auch noch Wahnvorstellungen. Realität und Traum vermischen sich, bald schon kann er die beiden kaum auseinanderhalten. Und als er erfährt, dass Marie ihn betrügt, geht die Eifersucht mit ihm durch.
Georg Büchner zeigt in seinem Dramenfragment von 1837, einem der einflussreichsten und meistgespielten Stücke der deutschen Literatur, wie das Opfer sozialer Verhältnisse seinerseits zum Täter wird. Das Grenzlandtheater zeigt in der Inszenierung von Christoph Biermeier, der in der vergangenen Spielzeit schon mit „Der Trafikant“ punkten konnte, diese dramatische Geschichte wie in einem Fiebertraum. Mit großen, aufgequollenen Masken, Scherenhänden und einer unheimlichen Puppe, die an Gollum aus Herr der Ringe erinnert.
Das Ensemble, das in die unterschiedlichen Rollen schlüpft, gekonnt die Puppe bespielt, als wäre sie lebendig, hätte nicht besser besetzt sein können.
Da ist David Ziegelmaier in diversen Rollen: Zum Beispiel als Psycho-Arzt mit Hummerscheren-Händen, die Woyzeck packen und piesacken. Und da ist Nils Buchholz in einem aufblasbaren Ganzanzug als Hauptmann in knallgelber Uniform, der widerlich schlabbernd spricht und der Woyzeck traktiert und schikaniert, um sich selbst zu loben. Auch wird Buchholz zum Tambourmajor, der von Männlichkeit strotzt und diese bei jeder Gelegenheit frivol zur Schau stellt. Und zwischen diesen surrealen Figuren, die mit ihren Masken und Schmatz-Geräuschen eher an einen unheimlichen Film erinnern, steht Marianna McAven als Marie, die so echt und lebensfroh wirkt, dass das Gehirn des Zuschauers gefordert wird. Da kann man sich gut in den Woyzeck (Karlheinz Schmitt) hineinversetzten, der auch nicht mehr erkennt, wann ihm seine Fantasie etwas vorspielt und wann etwas echt ist. Karlheinz Schmitt als Woyzeck ist schon allein optisch die richtige Besetzung gewesen. Die dürre Gestalt mit dem verzweifelten Blick, die sich windet und weint, in der Soldatenuniform fast versinkt und mit seinem Schicksal hadert, ist perfekt.
In der erstmaligen Zusammenarbeit des Grenzlandtheaters mit dem „’t Magisch Theaterje“ aus Maastricht ist eine surreale, beängstigende Inszenierung geworden, die auch auf die Masken von Charlotte Puij-Joolen und Ananda Puijk zurückzuführen ist. Aber auch auf die Darsteller. Und die Inszenierung. Einfach ein Gesamtkunstwerk. kw
1.+2.12.
„Woyzeck“
20 Uhr, Grenzlandtheater
bis 10.12
„Woyzeck“
20 Uhr, diverse Orte, Städteregion
Homepage Grenzlandtheater Aachen
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