Wiederholungstäter im Theater Aachen. Und: Georges Bizet geht direkt ins Ohr. Dieses Mal dirigiert aber nicht Mathis Groß das Orchester sicher durch vier Akte, sondern Christopher Ward. Mit voller Besetzung spielt es beherzt und beschwingt auf bis zum Finale. Auch die Inszenierung wirkt an richtiger Stelle frisch, unbekümmert und modern, ohne die Ernsthaftigkeit der Sache – den Kampf um die Freiheit – aus den Augen zu lassen.
Das Bühnenbild ebenfalls eindrucksvoll irgendwo zwischen miefiger Plattenbau-Ödnis und – dank modularem System – angesagtem Hinterhof-Gangstercharme. Hohe Metallgerüste ragen bis unter den Theaterhimmel, Treppen von oben bis unten, mal Laufhaus, mal Zigarettenfabrik, mal Knast. Nebelschwaden ziehen vorbei, geben den Blick frei auf die Darsteller. Allen voran jetzt Alexandra Urquiola als Carmen, in Crop-Top und rotem Lederrock.
Die wilde, freiheitsliebende Frau nimmt man ihr nicht nur gesanglich, sondern auch schauspielerisch voll ab. Wie schon Fanny Lustaud als Carmen ist sie viel mehr als ein männermordender Vamp. Sie ist eine selbstbestimmte, freiheits- und freundeliebende Frau, die ihre Meinung einfach auch mal ändern kann und die ihre Bedürfnisse über die der anderen stellt.
Astigarraga holt sie ins Jetzt und prangert an: An der Rolle der Frau, mag diese auch noch so modern sein, mögen ihre Freundinnen noch so trinkfest, partygeil, raffiniert, modern und genderneutral wie möglich sein, seit der Uraufführung 1875 hat sich an der Frauenrolle doch nichts geändert. Ein brisantes Thema, wunderbar verpackt und das auch optisch von Annemarie Bullas Kostümabteilung. Die ganze Inszenierung ist schlüssig, jung und macht Lust auf mehr und hat es völlig zurecht noch einmal in die Spielzeit geschafft. (Kira Wirtz)
WEITEREMPFEHLEN