Von Peter Hoch
Schon mehrfach in seiner Geschichte wurde das Kino totgesagt – etwa, als ihm in den 1950er-Jahren durch das Fernsehen massive Konkurrenz erwuchs oder in den 2000ern die Raubkopierwelle anbrandete. Bringen die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona- und Ukraine-Krise im Zusammenspiel mit veränderten Freizeitgewohnheiten Multiplexe und Filmkunsthäuser nun tatsächlich zur Strecke? Klar ist, dass sich die Branche aktuell mit großen Herausforderungen konfrontiert sieht – denen man sich in der Region jedoch mutig und mit viel Engagement stellt. Der durchschnittliche US-Amerikaner geht jährlich viermal ins Kino. Franzosen und Engländer besuchen dreimal im Jahr ein Lichtspielhaus und in Italien, Spanien und den Niederlanden sind es rund zwei Filme pro Kopf, die im selben Zeitraum geschaut werden – zumindest sind das die Zahlen, die bis 2019 relativ kontinuierlich zu verzeichnen waren. In Deutschland wurden schon vor der Pandemie nur noch magere eineinhalb Tickets pro Nase jährlich gelöst, 2022 sogar nur noch ein einziges. Sebastian Stürtz, der mit seinem Bruder Moritz die Cineplex-Kinos in Aachen und Alsdorf betreibt, hat Erklärungsansätze für die Kinoträgheit der Deutschen: „Wir leben in einem der wenigen Länder, wo man es toll findet, viel zu Hause zu sein, Cocooning nennt sich dieses Phänomen. Wenn man dann doch mal ausgeht, gibt es im Freizeitbereich besonders viele Optionen. Und auch Wettereffekte haben bei uns stärkere Auswirkungen auf die Besuchszahlen als in anderen Ländern.“ Die Brüder aus Alsdorf, die das Lebenswerk ihrer Großeltern und Eltern weiterführen, haben in den letzten Jahren trotzdem viel Geld in die Hand genommen, um ihre Häuser optisch aufzuwerten, noch komfortabler zu gestalten, zu erweitern und technisch auf den neuesten Stand zu bringen – von den zwei „Ultimate“-Kinos mit 4K-Projektion und Dolby-Atmos-Sound über zwei zusätzliche Säle in Alsdorf und pro Stadt ein plüschiges Club- bzw. Lounge-Kino bis hin zu Komfortsitzen und D-Box-Sitzreihen mit Rüttelfaktor. Neu für 2023 geplant ist die dauerhafte Einführung eines Flatrate-Tickets, mit dem man so viele Filme sehen kann, wie man möchte. Ein Angebot, das es im VUE-Großkino in Kerkrade schon eine ganze Weile gibt, während man in Heerlen im Quatro Cinema und im Filmhuis De Spiegel ebenso wie im Maastrichter Lumière auf eine Rabattkarte setzt. „Kundenbindung“ lautet das eine Zauberwort. „Kundenwiederheranführung“ heißt das andere. Die verspricht man sich vom immensen Erfolg von James Camerons aktueller „Avatar“-Fortsetzung, welche anfangs sogar im eigentlich eher genrefernen Arthouse-Kino Apollo lief, das von den Aachener Kino-Urgesteinen Hans-Peter Coenen und Walter Render vor dreißig Jahren eröffnet wurde, damals noch unter dem Namen „Atlantis“. Render fasst die Lage so zusammen: „Im Moment sieht es danach aus, dass der Avatar-Effekt greift, der die Leute wieder von der Couch und den Streamingdiensten in die Kinos lockt, was sich am Ende hoffentlich auch bei uns niederschlägt.“ Und sein Kompagnon ergänzt: „Avatar hat diejenigen wach gemacht, die uns gar nicht mehr wahrgenommen haben. Emotionen, Freude, Tränen, diese Dinge erfährt man nicht zu Hause im Heimkino, sondern nur im wirklichen Kino. Und wer das wieder erlebt hat, wird auch ein zweites oder drittes Mal kommen“ – wobei Coenen sich über mehr klassisches Erzählkino à la „Der Pate“ anstelle zu vieler Problemfilme im Angebot der Verleiher freuen würde. Große Veränderungen sind im Apollo indes nicht geplant, wurden die Säle doch auch hier erst in den letzten Jahren neu und bequem bestuhlt. Studierende sollen allerdings noch mit einem neuen 6-Euro-Tarif beglückt werden. Einiges an Arbeit bedeutet die Rückgewinnung der zu Social Media abgewanderten jungen Zielgruppen. Hier setzt man in Aachen und Alsdorf ebenso wie im Dürener Lumen auf Konzertmitschnitte, Anime-Specials oder Gaming-Events, aber auch auf Kinokulturförderung durch mehr Zusammenarbeit mit den Schulen, während die Reihe „Mein erster Kinobesuch“ schon länger erfolgreich die Allerkleinsten und deren Eltern anspricht. Hilfreich dürfte der „KulturPass“ der Bundesregierung werden, der im Frühjahr kommen und hoffentlich dauerhaft bleiben soll: Alle, die im Kalenderjahr 18 werden, bekommen damit ein Guthaben von 200 Euro, das sie zwei Jahre lang auf einer Digitalplattform für dort registrierte Konzert-, Theater- und eben auch Kinobesuche einlösen können. Im Erfolgsfall soll das Programm für 15- bis 17-Jährige geöffnet werden – wobei die Kinobetreiber etwas Vergleichbares und mehr Kulturzugang auch für ältere und bedürftige Menschen begrüßen würden. Nicht zuletzt könnte das goldene Zeitalter eines besonders großen Kinorivalen schneller vorbei sein, als es gekommen ist. Denn aktuell sieht es so aus, als würden sich die immer zahlreicheren Streaming-Dienste zunehmend gegenseitig kannibalisieren. Filmfans könnten sich frustriert von Netflix, Prime Video & Co. abwenden, wenn alle Plattformen zwar regelmäßig teurer werden, dabei jeweils aber weniger Kinofilme als früher anbieten, sehenswerte Serien unvollendet absetzen und stattdessen massenhaft halbgaren eigenen Content generieren. Hier könnte das Kino in die Bresche springen und seine bewährte Stärke abgeschlossener, visuell starker Geschichten ausspielen – vorausgesetzt, Qualität und Quantität des Angebots stimmen. Bei letzterem stehen die Chancen gut, sagt Teresa Virnich vom Dürener Lumen: „Nachdem 2022 eher schleppend verlaufen ist und die Produktionsstopps der Pandemiezeit zu spüren waren, sehen wir dem Filmjahr 2023 sehr zuversichtlich entgegen.“ Wie es um dessen Qualität bestellt ist, davon kann man sich in den kommenden Monaten in den Kinos der Region hoffentlich positiv überraschen lassen. Zusatzszenen Filmliebhaber sollten sich nicht scheuen, zusätzlich zu den waschechten Kinos auch einige der cineastischen Initiativen in der Region aufzusuchen oder sich an ihnen zu beteiligen. Das Filmstudio an der RWTH und seine Vorstellungen stehen nicht nur Studierenden offen, die Raststätte zeigt jeden Monat einen Film der abgründigen Art, Kaleidoskop e.V. freut sich über neue Mitglieder, das vom Aachener Dokumentarfilmer Michael Chauvistré initiierte „doc/fest on tour“ dreht seine Runden und auch im KuKuK an der Grenze sind manchmal bewegte Bilder zu sehen.
Cineplex Aachen und Eden Palast/ Cineplex Alsdorf und Atrium Filmtheater www.cineplex.de Tickets: 9,90-12,90 Euro Kinotag*/**: Di (Aachen) bzw. Mo (Alsdorf) 6,90 Euro Zuschläge: ab 120 Min./0,50 Euro, 140 Min./ 1,50 Euro, 160 Min./2,50 Euro, 3D/3 Euro Ermäßigt*/***: U16 vor 18 Uhr 5,90-6,90 Euro Schüler-, Studenten- und Azubitag*/**: Mo (Aachen) bzw. Di (Alsdorf) 6,90 Euro Filmdeal: wechselnde Filme für 6,90 Euro Bonusprogramm Cineplex PLUS: Jedes 11. mit der App gekaufte Ticket ist gratis o2-Kinotag: Do, 2-für-1-Ticket, via o2-App Selection-Kino-Tag: Do, 20 Prozent Rabatt für Selection-Fitness-Kunden Apollo Kino Aachen www.apollo-aachen.de Tickets: 9,20 Euro (Kino IV 6 Euro) Kinotag*: Do 6,50 Euro (U12 5,50 Euro) Zuschläge: ab 120 Min./0,60 Euro, 140 Min./1,20 Euro, 160 Min./2 Euro | 3D/1 Euro Ermäßigt*: U12 6,50 Euro | Schüler, Studenten, Rentner 8,70 Euro Capitol Aachen www.capitol-aachen.de Tickets: 15,90 Euro Zuschlag: 3D/3 Euro Metropolis Filmtheater Würselen www.metropolis-filmtheater.org Tickets: 20 Uhr 6 Euro, 17 Uhr 3,50 Euro Zuschläge: ab 130 Min./0,50 Euro, 150 Min./1 Euro Das Lumen Filmtheater Düren www.dn.das-lumen.de Tickets: Mo – Mi 8 Euro, Do – So 11 Euro Zuschlag:3D/3 Euro Ermäßigt*: U16 6 Euro Kuba Jülich www.kuba-juelich.de Tickets: 20 Uhr 6,50 Euro, 17 Uhr 4 Euro Zuschläge: ab 130 Min./0,50 Euro, 140 Min./1 Euro Ermäßigt*: Rentner 6 Euro VUE Kerkrade www.vuecinemas.nl Tickets: Mo+Mi 10 Euro, Do-So 11 Euro Kinotag: Di 7 Euro Zuschläge: XD-Saal 1,05 Euro, 3D/1,50 Euro Ermäßigt*: U18, Ü65, Studenten 9-10 Euro Flatrate-Ticket*: „Movie Pass“, 20,50 Euro mtl. (Mindestlaufzeit 4 Monate) Quatro Cinema Heerlen www.quatrocinema.nl Tickets: ab 18 Uhr 9 Euro, davor 8 Euro Kinotag*: Di 5,50 Euro Zuschläge: ab 140 Min./1 Euro, 180 Min./4,50 Euro, 3D/1 Euro Ermäßigt*: U16, Ü65, Studenten ab 18 Uhr 8 Euro, davor 7,50 Euro Kundenkarte*: „Quatro Card“, einmalig 15 Euro, für vier Personen 0,50 bis 1,50 Euro Nachlass, jedes 16. Ticket gratis Filmhuis De Spiegel Heerlen www.filmhuisdespiegel.nl Tickets: 8,50 Euro Zuschlag: ab 150 Min./1 Euro Ermäßigt*: Studenten 6 Euro Kundenkarte: „Spiegelpas“, 15 Euro/365 Tage, 2 Euro Preisnachlass Lumière Maastricht www.lumiere.nl Tickets: 10 Euro Kinotag: Do 7 Euro Zuschlag: ab 150 Min./1 Euro Ermäßigt: U16, Ü65, Studenten 6,50 Euro Kundenkarte: „Lumière Passie“, 20 Euro/365 Tage, 2 Euro Preisnachlass * plus ggf. Zuschläge für Überlänge, 3D und XD ** nicht in den ULTIMATE- und Club-/Lounge-Sälen und an Feiertagen *** nicht in den Club-/Lounge-Sälen und an Feiertagen
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