Von Sebastian Dreher
Dicke Rasta-Locken unter der Häkelmütze, eine selbstgedrehte Kippe in der Hand und im Gesicht ein breites Lachen: Sebastian Sturm sitzt auf der Terrasse des Last Exit und sieht aus, als ob er gerade erst aus dem Flieger aus Kingston, Jamaica, gefallen ist. Um so erstaunlicher, dass er, der seit vielen Jahren aus der deutschen Roots-Reggae-Szene nicht mehr wegzudenken ist, noch nie im gelobten Land der Reggae-Musik war.
Karibische Legenden
„Bis jetzt“, sagt Sturm und nippt am Orangensaft. „Morgen früh geht mein Flieger. Ich bin echt aufgeregt.“ Eine Woche lang wird er zusammen mit den Produzenten-Ikonen Stephen Stewart und Sam Clayton an seinem neuen Album arbeiten. „Die beiden sind Legenden“, sagt Sturm. „Bereits die Aufnahmen mit ihnen zu machen, war eine Hammer-Erfahrung.“ Die sind allerdings nicht auf Jamaica, sondern in der Eifel gemacht worden. Stewart und Clayton sind dafür aus dem Urlaubsparadies ins regnerische Deutschland geflogen. Die ganze Crew wurde bei Blankenheim in ein Ferienhaus eingemietet, um möglichst intensiv arbeiten zu können.
„Wir waren so elektrisiert, wir haben zu allem ,tierisch‘ gesagt“, erinnert sich Sturm. „Stephen und Sam waren etwas verwirrt, weil sie immer nur ,tears‘ verstanden haben.“ Es dauerte nicht lange, dann war alles einfach nur „tears“, der letzte Take, der Groove, die ganze Atmosphäre: „Yeah, fucking tears“.
Entspanntes Aufnehmen
13 Songs wurden so in kürzester Zeit und völlig relaxed eingespielt. An seinen vorherigen Alben hat Sturm monatelang herumgetüftelt, dieses Mal ging alles wie von selbst. „Stephen hat immer gesagt: ‘Play it like it is’. Das hat sich so richtig angefühlt, dass ich gar nicht mehr in die Aufnahmen reingehört habe – das mache ich erst auf Jamaica.“
Sebastian Sturm ist 1980 in Aachen geboren, als Sohn einer indonesischen Mutter und eines deutschen Vaters. Aufgewachsen ist er in Eschweiler, seine ersten Musikerfahrungen hat er mit 15 Jahren in einer Punkband gemacht. Irgendwann hat er seine Liebe zum Roots-Reggae entdeckt. Mit seiner Band Jogit Beat tingelte er durch die einschlägigen Clubs, Wild Rover, AZ, Jakobshof. Irgendwann bekam er einen Anruf von Martin Pauen, Drummer der Jin Jin Band und dazu Produzent, der schon Künstler wie Jule Neigel, Wonderwall und Malte Kelly betreut hat. „Martin wollte, dass ich mit der Jin Jin Band Grönemeyer cover“, sagt Sturm. „Aber deutsch singen ist nichts für mich.“ Nach langer Überredungskunst hat er sich doch mit der Band getroffen und wie der Zufall so will – es lief super.
„Das mit Grönemeyer haben wir schnell aufgegeben“, so der 33-Jährige. „Aber dann haben wir Bob Marley-Songs gespielt – der Wahnsinn.“ So kam Sturm an seinen ersten Plattenvertrag, 2006 kam „This change is nice“. Und auch privat hat sich sein Leben ziemlich verändert: er wurde Vater einer Tochter.
Exile Airline
2008 erschien „One moment in peace“, aber nach vier Jahren mit der Jin Jin Band hatte Sturm Angst, sich zu wiederholen. Also gründete er seine eigene Band, rekrutiert aus Musikern, die er aus der Arbeit mit Jin Jin kannte: Moses Christoph, Joonas Lorenz, Christian Golz, Philip Breidenbach und Samuel Reissen, zusammen Exile Airline.
Das erste Album nach dem Wechsel, „Get up & get going“ von 2011, klingt immer noch nach Sturm, immer noch nach dem Roots-Reggae der 70er Jahre, ist aber von neuen Einflüssen geprägt – nicht zuletzt, weil Gitarrist Breidenbach auch die Produzentenrolle übernommen hat. Mit Rootdown Records konnte außerdem ein renommiertes Label gefunden werden.
Auf der Burg Wilhelmstein will Sturm schon jede Menge von dem neuen Eifel-Jamaica-Material präsentieren – und natürlich viele von seinen „alten“ Songs spielen. Außerdem freut er sich auf Meikel Freialdenhoven und seine TUF-Band, alles gute Freunde aus alten Tagen. „Das ist die beste Band der Welt“, sagt Sturm und fügt dann hinzu. „Die sind einfach nur ,tears‘.“ ///
12.7.
Sebastian Sturm & Exile Airline, support: TUF
19.30 Uhr, Burg Wilhelmstein
www.sebastian-sturm.com
Karten gibt es im Kapuziner Karree
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