Von Richard Mariaux
Universal Music, iTunes, CTS Eventim, Spotify, YouTube, Warner, Gema, Live Nation Entertainment, Pandora … Wer Musik digital streamt, sich einen Tonträger kauft, Festivals besucht oder Konzertkarten kauft, ist der richtige Adressat für dieses Buch über die ungeschminkten Wahrheiten der Konzert- und Tonträgerindustrie, der Ticketanbieter, der Verwerter von Copyrights, der Gema und nicht zuletzt der Politik, die wie so viele andere in dieser Branche seit Jahrzehnten den neuen Marktentwicklungen hinterherhinkten.
Berthold Seliger hat zum Jahresende 2013 seine 25-jährige Karriere als Konzertagent beendet. Nicht wegen Misserfolgs – er vertrat erfolgreich Künstler wie Calexico oder Lambchop, arbeitete als Tourneeveranstalter mit Patti Smith und Lou Reed –, sondern weil sich seiner Erkenntnis nach das Geschäft mit der Musik im letzten Jahrzehnt massiv in die falsche Richtung entwickelt hat.
Auf 350 Seiten wagt Seliger den Rundumschlag, erklärt in acht Kapiteln die machtvollen Funktionen der Wirtschaftsprotagonisten. Die dominieren das weltweite Showgeschäft und haben in unendlich-komplexen Verflechtungen eine Marktmacht angehäuft, die Preise bestimmt und auf dem Rücken der meisten Künstler – und oft auch der Konsumenten – ausgetragen wird. Statt über Musik zu reden, geht das „modern talking“ ausschließlich über Profite und Marketing. „Brands statt Bands“, so Seliger. Trotz vieler aufgeführter Zahlen bleibt „Das Geschäft mit der Musik“ immer spannend und lesbar.
Ausgangspunkt: USA
Wie so vieles in der Kulturindustrie nimmt alles seinen Anfang in den USA. Hatte es 1983 noch 50 große Medienkonzerne gegeben, war die Zahl 2005 schon auf fünf gesunken. Ein zu Zeiten Ronald Reagans ausgekungelter und auf Druck der Republikaner von Bill Clinton eingeführter „Telecommunications Act“ hatte dies ermöglicht. Anhand des Aufstiegs des US-Konzerns Live Nation beschreibt Seliger die Fusion von Konzertveranstaltern mit Ticketanbietern, Hallenbesitzern und Rundfunkstationen zu Megaunternehmen, die alles unter einem Konzerndach kontrollieren. Live Nation hat sich in den letzten Jahren auch in Europa breit gemacht, führende Tourneeveranstalter und große Festivals einverleibt, etwa „Pink Pop“, „Rock Werchter“ und „North Sea Jazz“.
In Deutschland ist CTS Eventim unbestrittener Marktführer. Über eine Zwischenholding ist man an den fünf größten deutschen Konzertagenturen beteiligt – u.a. Marek Lieberberg, FKP Scorpio und Peter Rieger – und hat 16 von den 20 größten deutschen Open Air-Festivals im Portfolio. Das reicht beim Umsatz für den weltweiten Platz 3 und beim Ticketing für Platz 2 (hinter dem amerikanischen Konzern Ticketmaster).
Das Versagen der Tonträgerindustrie
Die Tonträgerindustrie hingegen hat sich in den letzten Jahrzehnten weniger clever verhalten. Ihr Versagen beim Geschäftsmodell „Download“ ist Geschichte, jetzt wird versucht aufzuholen. Zwar hat sich Apple mit iTunes das größte Stück vom Kuchen gesichert, aber die Tonträgerindustrie – und hier meint Seliger vor allem die Monopolisten Universal (38,9 Prozent), Warner Music (14,9 Prozent) und Sony Music (23 Prozent) – versucht, sich verlorengegangene Verwertungsanteile wieder zurückzuholen.
Was bleibt für die Künstler?
Dabei steht die Branche auf den Standpunkt, dass die verkauften Downloads wie CDs abzurechnen sind. Vom Verkaufspreis einer CD erhalten die Künstler in der Regel nur etwa 10 Prozent. Auch bei Streaming-Diensten wie Spotify verdienen die Majorlabels kräftig mit. Die Künstlervergütung bleibt dagegen marginal. Bei Spotify sind es ganze 0,0042 Dollar pro Song, beim Webradio Pandora 0,0011 Dollar.
Mit anderen Worten: die, die den Inhalt für Download- und Streaming-Angebote liefern, werden mit Brosamen abgespeist. Man könnte meinen, es ginge in der Musikbrache gar nicht um Musik. ///
Zum Buch:
Berthold Seliger: „Das Geschäft mit der Musik. Ein Insiderbericht“
Edition Tiamat, 352 Seiten, 18 Euro
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