Der Kanuverleiher am Flüsschen Luhe in der Lüneburger Heide ist ein waschechter Norddeutscher und daher überschwänglicher Komplimente nicht verdächtig. Aber was er bei der Einführung zum Kanu-Trip dann sagt, lässt das Grüppchen paddelbereiter Festivalgäste doch bestätigend nicken. „Ich habe noch nie ein so entspanntes und relaxtes Publikum erlebt“.
Er wäre gestern über das Festivalgelände geschlendert, um einen Eindruck davon zu gewinnen, welche Sorte Menschen er denn hier bei seinem Verleihgeschäft zu erwarten hätte. Eine exemplarische Einschätzung auch meiner Festivaleindrücke vom letzten Jahr, als „A Summer‘s Tale“ seine Premiere hatte.
Das Festivalprogramm gliedert sich in mehrere Bereiche: Konzerte, Lesungen, Film, Performances, Kunst, Familie, Aktiv- und Kreativworkshops, Perspektiven & Porträts – letzteres sind Angebote zumeist politisch-ökologischer Natur – es geht um neue Wohnformen, Foodsharing, Leben ohne Besitz, Flüchtlingshilfe oder Digital Detox.
Auch die Workshops, im Festivalticketpreis größtenteils inbegriffen - frühe Anmeldungen sind ratsam - bieten eine breite Palette: Back in Energy (der Rücken), Acro Yoga, Buddhistische Meditation, Capoeira, Mitsingen beim Hamburger Kneipenchor, Kalligraphie, Nacht- und Kräuterwanderungen, das eingangs erwähnte Kanufahren… alles nur ein Teil des Angebots.
Ein Tag in Luhmühlen
Im letzten Jahr spielte das Wetter perfekt mit. Norddeutsche Sommertage mit 20 bis 25 Grad. Nach dem Aufwachen, ein erster Kaffee vor dem Zelt. Auf dem Festivalgelände orientiert sich am Vormittag ein kleiner Teil der Besucher in ein Eichenwäldchen, welches die Waldbühne beherbergt. Auf einer halbschattigen Liegewiese döst man, liest, verfolgt ein Kinderprogramm, einen Folksänger oder wandert hundert Meter weiter zum Grünen Salon zur Lesung von Clemens Meyer oder Jochen Diestelmeyer (2015). Auf dem weitläufigen Festivalgelände streift man den „Zeltraum“ (ab nachmittags Konzerte, nachts DJ-Sets), vorbei am Projekt-Quartier The Tale’s Café, rüber zum Wissenszelt, ein Stopp bei der Kinderbetreuung oder der Probiererei (alles zum Thema Kulinarik) und geht ein Stück abseits hinunter zum Luhe-Deck, wo mit Blick in die Wiesenauen von morgens bis in den Nachmittag Yoga, Tai Chi etc. praktiziert wird.
Auf der großen Konzertbühne am Rande des Sandplatzes – das Festivalgelände liegt auf einem weitläufigen Reitausbildungszentrum, tritt der erste Liveact ab 16 Uhr auf die Bühne. In diesem Jahr sind dies Sigur Rós, Noel Gallagher, Garbage, Parov Stelar. Weiterhin José Gonzalez, Nada Surf, Boy, Amy MacDonald, Billy Bragg, Adam Green uvm.
Und gelesen wird. Frank Witzel (Träger des Deutschen Buchpreises 2015) aus seinem monumentalen Roman „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion …“, Thees Uhlmann (auch live mit Band im Programm), Torsun (Egotronic), Karen Köhler oder Schorsch Kamerun. Und dann der Film. Regisseur Wolfang Becker stellt sein letztes Werk „Ich & Kaminski“ (nach dem Roman von Daniel Kehlmann) vor, ebenso wie die Regisseurin Kerstin Ahlrichs „Taxi“, nach dem Roman von Karen Duve. Dazu die „Shortfilm Sessions“ in Zusammenarbeit mit dem Inter. KurzFilmFestival Hamburg.
„A Summer’s Tale“ bietet ein auf den ersten Blick überborderndes Angebot an Eigenaktivitäten und popmedialer Zerstreuung. Empfehlenswert ist es jedem Tag vorab eine kleine Struktur zu geben – das unterscheidet dieses Festival auch von der landläufig bekannten anything goes/Was geht ab-Attitüde herkömmlicher Open Airs. Immerhin hat der Veranstalter FKP Scorpio mit seinem Festivalzwillingen „Southside/Hurricane“ genügend gegensätzliche Erfahrungen. \
rm
10.-13.8.
„A Summer’s Tale
Luhmühlen (bei Lüneburg)
Tickets gibt es bei KlenkesTicket im Kapuziner Karree.
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