2016: Ein Jahr mit wenigen Höhepunkten
Von Richard Mariaux
Und ewig grüßt das Murmeltier. Ein Musikjahr unter der Popkontextbrille betrachtet, führt in Aachen immer zu den üblichen Verdächtigen. Das Problem sind allerdings weniger die Veranstalter, als eher das mangelnde Interesse eines nicht vorhandenen Publikums.
Eine mittlere Großstadt, die mit rund 70.000 – für Kunst, Musik und Theater eher nicht existenten – Studierenden, verharrt im kulturellen Tiefschlaf – sommerliche Großereignisse (das September Special, der Eupen Musik Marathon, die Hof-Konzerte – to name a few) bei zumeist freiem Eintritt seien hier außen vor. Tiefer in die Tasche greifen müssen Musikfans ganz unterschiedlichen Geschmacks dann für die Konzerte auf Burg Wilhelmstein, für Wolfgang Niedecken im Aachener Kurpark oder – nicht ganz so tief – für die zweite Auflage des „Kimiko-Festivals“ im Park des Ludwig Forum.
Für kleines Geld von 3,50 Euro bietet das Kulturfestival X der StädteRegion immer wieder nicht im Mainstream zu verortende Künstler (Fraktus, Rocko Schamoni etc.) an und auch das „Mühlen Madness“ in Verlautenheide pflegt eine Festivaltradition ohne großes Kommerzansinnen. Von allen guten Wettern verlassen erlebte das beliebte Straßenfest „LothringAir“ eine Bauchlandung, die mangels Besucher im Nachhinein zu Spendenaufrufen und Benefizveranstaltungen führte. Auch die „Südstraße“, die seit einigen Jahren einen kleinen Eintritt einfordert, wurde nach vielen Jahren Wetterglücks diesmal naßkalt erwischt – atmosphärisch sind solche Veranstaltungen sehr stark von einem relaxtem Umfeld im warmen Klima abhängig.
Die Aachener Musikszene
Die feierte entweder Jubiläen (15 Jahre Senor Torpedo, 10 Jahre Start a Revolution) oder nimmt sich praktischerweise eine abgerockte Location wie die Halle auf dem Gelände vom Alten Schlachthof in Aachen und nutzt diese zu Aufnahmen für eine Live-DVD – wie im Falle von And Then She Came, der Folgeband der poppigen Schwermetaller von Krypteria. Der Aachener Rapper Mo Trip schaffte es bis in die „Tagesschau“ mit dem Klassik meets HipHop-Projekt „Das Vivaldi Experiment“ des Westdeutschen Rundfunks. Leider fand das Konzert aber in Köln statt.
Das spannendste Projekt passierte unterdessen im Alten Schlachthof in Eupen. Hier fand an einem Wochenende im September ein Festival der elektronischen Musik statt, organisiert von der Eupener Musikorganisation meakusma, ein Festival, was über drei Tage und Nächte in mehreren Schlachthof-Räumen aber auch mit soundtechnischen Exkursionen in die freie Natur stattfand. Ein Programm mit aus der ganzen Welt angereisten, größtenteils unbekannten Künstlern, das ein ebenso international durchsetztes, neugieriges und dankbares Publikum vorfand. Der Berliner „taz“ war dieses Ereignis direkt eine ganze Seite in ihrem Feuilletonteil wert. Ein zahlenmässig größeres Publikum aus Aachen – natürlich Fehlanzeige.
Problem Publikum?
Das größte Problem Aachener Konzertveranstalter bleibt das hiesige Publikum. Wo Konzerte, die in anderen vergleichbaren Städten was die Einwohnerzahl betrifft, gut funktionieren, bleibt Aachen in der Regel Schlusslicht in einer Tournee-Tabelle. Drei Beispiele: Die mittlerweile eher 2.000er Hallen spielende Sophie Hunger schaffte es erst auf den letzten Metern an der Abendkasse den Musikbunker mit einem sold out bei knapp 400 Plätzen zu füllen.
Auch für den im Popkontext sehr bekannten Autor Benjamin von Stuckrad-Barre hätte man für seine Lesung aus dem Bestseller „Panikherz“ im bestuhlten Franz gerne noch eine weitere Stuhlreihe aufmachen können. Und fast schon zum Fremdschämen mutete der Publikumszuspruch bei einem Konzert wie dem von Jochen Distelmeyer im Musikbunker an. Der Mann, der in den 90ern mit seiner Band Blumfeld den Begriff „Hamburger Schule“ mit definierte, hatte 2015 ein überall sehr gelobtes Coveralbum mit Songs von unterschiedlichsten Künstlern wie Pete Seeger, Avicii, Joni Mitchell, Al Green, Lana del Rey, The Verve oder Britney Spears heraus gebracht. Ein wunderbarer Abend mit nur fünfzig Besuchern. Aachen, was ist los mit dir? \
Und 2017?
Die StädteRegion Aachen kürzt gerade die Gelder für die Kultur in der Region – betroffen sind nicht nur die „Monschau Klassik“ und das „September Special“, die ihre komplette städteregionale Förderung von jeweils 25.000 Euro verlieren – und auch die Stadt Aachen schnürt ebenfalls den Gürtel enger.
Vielleicht bewegt sich die Aachener Hochschullandschaft mal mehr in Sachen Kultur – wenn das Uniklinikum schon eine Comedy-Reihe ins Leben ruft, dann könnten innovativere Formate ja der Exellenz-Hochschule sogar noch zusätzliches Prestige bringen. Ein paar Ideen hätten wir da schon … \
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